Viele Pharmaunternehmen kämpfen mit Wettbewerb, Umsatzrückgang, Margen- und Bedeutungsverlust. Wie können Entscheider diesen Trends entgegenwirken?

Lange war Deutschland die Apotheke der Welt, heute ist Indien weltweit der Medikamentenlieferant Nummer eins. Offenbar sind den hiesigen Pharmaunternehmen der Wille und die Fähigkeit abhanden gekommen, eine Zukunft an der Weltspitze zu gestalten. Die hierfür ursächlichen inneren Barrieren lassen sich nicht mit den üblichen Standard-Rezepten, etwa Restrukturierungen oder massiv in Innovation oder M&A investieren, kurieren. Die Möglichkeiten für einen neuen Erfolgsweg schwinden mit jedem Tag des Abwartens. Ändert sich trotz aller Kritik, Appelle und Bemühungen nichts, ist der weitere Niedergang vorprogrammiert.

Dennoch gibt es enorme Chancen, die sich aus vorhandenen Stärken entwickeln lassen. Dafür braucht es zuallererst neue Standpunkte, um diese Chancen zu erkennen und dann ebenso mutig wie konsequent zu handeln. Die Zutaten dafür sind zunächst Zeit, passende Methoden für die Problemlösung wie auch für die Strategieentwicklung und die Bereitschaft für den Wandel. Die deutschen Pharmaunternehmen sind jetzt gefordert, das Steuer umzulegen und Zukunft zu gestalten. Dies gelingt in drei Schritten, ohne große Investitionen, doch mit einem Umdenken.

Grundlagen für den Erfolg schaffen 
Die erste essentielle Grundlage für den Erfolg besteht darin, die Verantwortung für die aktuelle Situation zu übernehmen. Solange den Politikern oder dem Wettbewerb die Schuld zugewiesen wird, sei es offen oder verdeckt, geben die Unternehmen ihre eigene Gestaltungsmacht ab. Die sachliche, nüchterne Analyse von eigenen Erfolgen und Fehlschlägen macht die eigentlichen Ursachen für die Misere transparent, so dass diese ausgeräumt werden können. Was es zweitens braucht, sind ambitionierte Ziele mit dem Willen zu gestalten. Zweifel, die dies bisher verhindert haben, gehören auf den Tisch, wie die Ursachen für die Misere ausgeräumt werden. Die dritte Grundlage ist die Analyse von eigenen Stärken und laufenden Veränderungen. Diese bilden das inhaltliche Fundament für das Gestalten. Dabei sollte der Blick über Big Pharma hinaus reichen. Es gibt zahlreiche ungelöste Probleme in der Gesundheitsbranche, deren Lösung neue Geschäftsfelder eröffnet.

Eigene Wege gehen
Alle schauen auf Big Pharma, obwohl das Geschäftsmodell schwierig geworden ist, verbesserten Screenings und M&A zum Trotz. Die Grundannahme von Big Pharma „Wirksame Substanzen für Krankheiten mit hohem Marktpotenzial in westlichen Ländern“ scheint in der Sackgasse und nur für wenige Unternehmen erfolgreich machbar.

Die Branche ist darüber hinaus schon lange im Wandel. Die Entwicklung geht hin zur Individualisierung der Medikation. Biotech öffnet neue Ideen und Möglichkeiten. Der Bereich der alternativen Heilmethoden wächst. Seit 2003 laufen OTC und Konsumgüter zusammen, durch Entfall von Preisbindung und Erstattung durch die Krankenkassen. Der Druck auf Kosten nimmt zu. Die Menschen leben länger und geben mehr privates Geld für Gesundheit aus. Die Grenzen zwischen Pharma, Konsumgütern und Wellness verschwimmen. Schönheit und Anti-Ageing sind im Trend. In asiatischen Märkten folgt die Pharmabranche anderen Gesetzen. So ist der Markt für rezeptfreie Medikamente wie etwa Health Drinks bedeutend. Die typischen Krankheitsbilder entwickeln sich dort entlang von zunehmendem Wohlstand.

Dies sind nur Beispiele für laufende und vorhersehbare Veränderungen. Etliche Unternehmen haben den Wandel genutzt oder gestalten diesen entlang klarer Grundannahmen und auf Basis eigener Stärken. Beispiele sind: „Die Wertschöpfungskette managen für eine Patientengruppe“, wie Fresenius für Diabetis-Patienten, oder „Der Schnellste sein in Generika“, wie Ranbaxy, oder „Die Synergien aus OTC und Konsumgütern schöpfen“ wie PGT Healthcare, ein Joint Venture von Teva und Procter & Gamble oder „Die Potenziale von OTC weltweit schöpfen“ wie Bereiche von Bayer Healthcare.

Strategien entwickeln
Auf welcher Grundannahme soll die Strategie eines Unternehmens aufbauen? Schon die Analyse der aktuellen, heute meist verborgenen Grundannahme verdeutlicht Grenzen und schafft neue Möglichkeiten. Denn diese Grundannahme ist immer veränderbar. Unternehmen, die dies als fundamentalen Teil ihrer Strategie verstehen, werden auch in Zukunft die Nase vorn haben.

Jedes Unternehmen sollte zusätzlich zur Analyse eigener Stärken seine eigene Marktanalyse – nicht Marktforschung – betreiben. Entscheidend hierbei sind weniger die Daten oder die allgemein bekannten Trends, sondern vielmehr die Interpretation der Daten. Was sind die laufenden und vorhersehbaren Veränderungen? Was bedeuten diese für uns? Wo liegen für uns Chancen und Risiken? Welche Innovationen in Produkten, Services, Geschäftsmodellen und Unternehmenssteuerung benötigen wir, um Chancen zu nutzen und Risiken abzuwenden? Die eigenen Stärken geben Richtung und Inhalte vor. Die Entwicklung der Strategien sollte systematisch und aufeinander aufbauend angegangen werden.

Drei Schritte zur Zukunftsgestaltung
Der erste Schritt ist das Ausschöpfen der laufenden Geschäfte: Welche Potenziale stecken hier, in den Märkten und in interner Produktivität? Was hindert das Unternehmen heute, diese Potenziale zu realisieren? Schon diese Fragen, ohne Scheuklappen angegangen, ermöglichen Wachstum – und schaffen die Grundlagen für weitere Strategien. Beispiele sind die Steuerung des Unternehmen und der Mitarbeiter entlang klarer Ziele und mit konsequenter Umsetzung sowie das Ausräumen von Widerständen und Resignation. Auch Fragen der Struktur sind zu berücksichtigen, etwa die Optimierung von Informationsflüssen und die Definition klarer Zuständigkeiten. Hier setzen auch digitale Lösungen an, etwa für optimalere Kommunikation, das Erreichen neuer Kundensegmente, das Sammeln und Auswerten von Daten als Basis für Innovation und Strategie.

Der zweite Schritt ist der Ausbau des laufenden Geschäfts. Dies erfolgt in zwei Richtungen, zum einen Innovation von Produkten und Services und zum anderen Innovation in Geschäftsmodellen. Für beide Richtungen gibt es passende Methoden, etwa Portfolio-Methoden und Marktsegmentierungen. Innovation sollte also stets breiter gefasst sein als die Suche nach Wirkstoffen. Geschäftsmodellinnovationen sollten sich wandelnden Märkte und verschwimmende Segment- und Industriegrenzen nutzen.

Der dritte Schritt ist das Erobern neuer Marktsegmente. Hier schließt sich der Kreis, denn das Verständnis der eigenen Stärken und der Marktveränderungen ist maßgeblich. Die Kunst der Vorausschau ist in diesem Feld als strategische Methode geeignet. Diese basiert auf der Interpretation von Daten unter Berücksichtigung der Verzerrungen der menschlichen Wahrnehmung.

Die Methode vereint die Analyse von Grundannahmen, ungelösten Problemen, akuten wie latenten Kundenbedarfen sowie möglichen Lösungen. Daraus entsteht die Möglichkeit, selbst Trends zu gestalten. Mögliche Ansätze dafür sind:

  • Welche Krankheiten lassen sich wie mit unseren Mitteln angehen?
  • Wie lässt sich Gesundheit erhalten und was können wir dazu beitragen?
  • Welche Unterstützung benötigen Menschen in kritischen Lebensphasen, insbesondere bei den Übergängen Geburt und Tod?
  • Welche Menschen und Märkte können von unseren Fähigkeiten profitieren?
  • Welche Entwicklungen möchten wir auf Basis unserer Stärken treiben?
  • In welchen Segmenten von Pharma und darüber hinaus?
  • Welche Märkte wollen wir gestalten?

Die hier skizzierten Denkansätze, Schritte und Methoden erfordern zunächst nur Investitionen in Ideen, in Prozesse, in Kompetenzen, in Zeit für das Umdenken. Das ist risikoarm und in jedem Fall sicherer, als abzuwarten und mehr vom Selben zu tun. Wenn deutsche Pharmaunternehmen nur Teile davon umsetzen, haben sie die Chance, wieder an die Weltspitze zu gelangen und die Zukunft der Branche maßgeblich zu gestalten.

 

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Link zur Veröffentlichung

Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

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