Restrukturierung macht Unternehmen nur selten profitabler. Besser gelingt das durch eine Selbsterneuerung. Wie vorzugehen ist und was dabei zu beachten ist, erläutert Strategieexpertin Anja Henke. 

 

Gerät ein Unternehmen in eine finanzielle Schieflage, wird es in der Regel restrukturiert. Doch nur jedes dritte Unternehmen erhöht mit dieser Strategie seine Profitabilität. Bei den übrigen bleibt sie konstant oder sinkt gar. Hintergrund ist, dass eine Restrukturierung heute als sachlich strukturierter, gut handhabbarer und vorhersehbarer Prozess verstanden wird, bei dem es primär um Zahlen und Finanzierung geht. Die eigentlichen Dynamiken, die zu den Schwierigkeiten des Unternehmens geführt haben, werden nur selten analysiert und demzufolge im Verlauf der Restrukturierung auch nicht korrigiert. Dies ist ein wesentlicher Grund für die hohe Rate des Scheiterns. Die West LB und Philip Holzmann sind typische Beispiele.

Die Schieflage eines Unternehmens ist häufig das Resultat einer Entwicklung: Der Zenit der Wachstumskurve wurde überschritten und wichtige Erfolgsfaktoren blieben ungesehen und daher ungemanagt. Veränderungen wurden übersehen oder verdrängt. Die aktuellen Restrukturierungen von RWE, Eon und Metro sind Beispiele dafür. Bei diesen Unternehmen war eine neue strategische Ausrichtung längst überfällig. In guten Zeiten mangelte es an Weitblick und Neuorientierung. Und nun in schlechten Zeiten ebenfalls.

 

Strategische Kurskorrektur

Statt in Krisen reflexartig zu restrukturieren, ist eine Selbsterneuerung die wirkungsvollere strategische Alternative. Grundzüge der Selbsterneuerung sind:

→ Analyse der Ausgangslage: Es gilt zu prüfen, ob das Unternehmen pro-aktiv, reaktiv oder defensiv agiert, wo wichtige Kennzahlen stehen und welche Strategien bereits mit welchen Ergebnissen realisiert wurden. Dies schafft Klarheit und den notwendigen Handlungsdruck.

→ Grundlegende Entscheidungen: Dafür ist es erforderlich, den Status des Unternehmens auf der Wachstumskurve zu bestimmen. Ist der Niedergang bereits eingeläutet, steht die Entscheidung zwischen Niedergangs-Management und Selbsterneuerung an. Restrukturierung, wie sie heute betrieben wird, ist in aller Regel Niedergangs-Management. Auch der heute vielfach betriebene Kauf von Start-ups führt nicht automatisch zur Selbsterneuerung.

→ Grundlagen für die Selbsterneuerung: Selbsterneuerung ist ein dynamischer Prozess. Um neue Wachstumserfolge zu zeitigen, bedarf es des Mutes, Komfortzonen zu verlassen, einer gemeinsamen Ausrichtung der Führungsebenen und der Bereitschaft, Schwierigkeiten zu meistern. Zudem ist die Fähigkeit vonnöten, angemessen mit Unsicherheiten umzugehen, sowie Lernbereitschaft.

 

Prozess der Selbsterneuerung

Eine Selbsterneuerung strategisch umzusetzen, erfordert sieben Schritte:

→ Analyse der Stärken. Dies betrifft materielle und immaterielle Werte, die sich direkt in Mehrwert für den Kunden übersetzen lassen. Diese Analyse unterscheidet sich fundamental von der heute üblichen Analyse von Schwächen, deren Beseitigung bestenfalls ins Mittelmaß führt.

→ Analyse der Einzigartigkeit aus Kundensicht. Kunden kaufen aufgrund der einzigartigen Aspekte eines Produktes oder Services. Diese Analyse erfordert Zeit und Genauigkeit und sollte nicht mit der Analyse der Vergleichbarkeit verwechselt werden.

→ Analyse der Vergleichbarkeit. Vergleichbarkeit ist hilfreich für Produktivität. Für viele Prozesse ist es entscheidend, von den Besten zu lernen und fortwährend zu optimieren. Dies gilt etwa für Produktions- und Arbeitsprozesse.

→ Grundlagen für Wachstum etablieren. Meist heißt das, die heutigen Hürden für Wachstum auszuräumen. Beispiele sind Kommunikations- und Entscheidungsprozesse optimieren, klare Verantwortlichkeiten etablieren, Veränderungen bis zu Ende denken.

→ Ein Portfolio von Wachstumsstrategien entwickeln. Dies kombiniert Stärken und Einzigartigkeit für neue Wachstumsfelder („Ensemblefähigkeit“). Ideal ist eine systematische Herangehensweise: (1) bestehende Potenziale ausschöpfen (auch durch Ausräumen der aktuellen Wachstumshürden), (2) das Geschäft ausbauen durch Innovation in Produkten, Services und Geschäftsfeldern, (3) neue Märkte erobern durch Vorausschau.

→ Agilität für die Umsetzung schaffen. Dies ist eine Frage von Kompetenzen in Veränderung, Zusammenarbeit und Führung. Diese Kompetenzen lassen sich systematisch aufbauen. Dies wirkt sich auch direkt auf die Unternehmenskultur aus.

→ Die Strukturen anpassen. Die neue Ausrichtung des Unternehmens bildet die Basis. Die strukturellen Anpassungen, die hieraus erfolgen, unterscheiden sich fundamental von denen, die bei einer klassischen Restrukturierung vorgenommen werden.

Was im Rahmen einer Selbsterneuerung erreicht wurde, sollte gesichert und stetig fortgeführt werden. Ein wichtiges Fundament dafür sind die im Verlauf der Selbsterneuerung gewonnenen Kompetenzen und eingesetzten Methoden. Der Prozess der Selbsterneuerung wird im Unternehmen, zum Beispiel über Aufgaben, Kennzahlen und Gremien verankert.

Eine Selbsterneuerung ist ein dynamischer Prozess, in dessen Verlauf überraschende Ergebnisse entstehen. Daher sind ein klarer Rahmen und eine ebensolche Steuerung erforderlich. Selbsterneuerung ist keine einmalige Übung, sondern eine dauerhafte Aufgabe, die der Zeit, Reflexion und Investition bedarf. Das ist vergleichbar mit dem Bestellen eines Gartens, mit Unkraut jäten, Rasen mähen, gießen usw. Dafür ist Selbsterneuerung ein Weg, auf dem sich Einzigartigkeit, Exzellenz und nachhaltiger Erfolg realisieren lassen. Unternehmen, die sich selbst erneuern, gewinnen Tempo, Innovationskraft, Attraktivität, Erträge und immer neue Erfolge in einer sich wandelnden Welt.

 

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Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

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