Im Geschäftsleben gilt: Probleme können als gut oder schädlich bewertet werden. Anja Henke erklärt dies anhand der Episode des „Problemwolfs“ von Bad Wildbad
Probleme haben einen schweren Stand. Das gilt im Business und im normalen Leben. Ein reales Ereignis in Bad Wildbad und eine Satire zeigen die Macht von Bewertungen. Die Parallele im Geschäftsleben ist offensichtlich: Probleme können als gut oder schädlich bewertet werden. Je nach Standpunkt resultieren daraus unterschiedliche Strategien.
Zunächst zu den Fakten. Vermutlich ist es ein Wolf, der für den Tod von mehr als 40 Schafen in Bad Wildbad Anfang Mai 2018 verantwortlich ist. Er hat nicht alle gerissen; 16 Schafe ertranken auf der Flucht, 11 weitere mussten später eingeschläfert werden. Der Bürgermeister von Bad Wildbad, Klaus Mack, ist besorgt ob des Wolfangriffs und fordert politische Unterstützung. Doch die Politik ist uneins über die Konsequenzen. Katharina Krüger, Journalistin und Kolumnistin beim SWR, hat einen offenen Brief an Herrn Klaus Mack verfasst.
In dem offenen Brief bezieht sie sich auf Edmund Stoiber, der seinerzeit über den Unterschied zwischen Schadbär und Problembär philosophierte. Das nimmt sie als Grundlage, um den Wolf in Bad Wildbad zu betrachten. „Lieber Klaus Mack, Ihre Stadt im Nordschwarzwald kennen seit dieser Woche sogar die Menschen in Vorpommern. Warum? Sie haben einen Wolf.“ Nun handelt Frau Krüger zuerst die Betrachtung des Problemwolfes ab. Die logische Folge: Der Wolf muss weg. „Sie wollen das Jagdrecht ändern, und Wölfe regulieren, damit, Zitat, „Mensch und Wolf ein Miteinander hier in der Region finden können. Also, wenn ich Wolf wäre, würde mir so ein Miteinander ganz schön Angst einjagen.“
Dann nimmt sie einen anderen Standpunkt ein: „Herr Mack, Sie müssen als Bürgermeister diesen Konflikt für Ihre Stadt nutzen. Machen Sie aus dem Problemwolf einen Erfolgswolf. Zeigen Sie den Menschen anderswo in Deutschland, dass Bad Wildbad verstanden hat, wie kluges Marketing funktioniert. Laden Sie die Schäfer der Nation zu einem Workshop ein. Schafe einzäunen 3.0. (…) Bieten Sie Wolfswanderungen für Touristen an! Die Mehrheit der Menschen findet es nämlich völlig in Ordnung, dass es wieder Wölfe bei uns gibt. (…) Das Geld, das Sie mit den Wolfswanderungen einnehmen, könnten Sie den Schäfern zugutekommen lassen.“ Aus dieser positiven Betrachtung als Erfolgswolf resultieren komplett andere Strategien; solche, bei denen alle gewinnen.
Perspektivwechsel sind wichtig für jeden Manager
Die Kraft dieser Geschichte liegt in dem Standpunktwechsel. Durch ihn ergeben sich vollkommen neue Strategien. Hier vollzieht sich der Standpunktwechsel in der Betrachtung des Wolfes als Chance anstatt als Problem. Ist der Wolf ein Problem, dann wird er beseitigt, denn die Angst vor weiteren Angriffen herrscht vor. Aus der Angst heraus ergeben sich selten gute Strategien. Der Wolf wird gejagt und getötet. Doch der Schaden bleibt und die Angst auch. Ist der Wolf hingegen eine Chance, eröffnet das viel Potenzial für den Schäfer, für die ganze Stadt und für alle Besucher. Und auch darüber hinaus ergeben sich Chancen, für Schäfer und Bauern anderer Regionen sowie Hersteller über das Angebot von Workshops zum Zaunbau, die Solidarisierung der Beteiligten als „Schicksalsgemeinschaft“ und Wolfswanderungen als touristische Attraktion. Die Einnahmen aus den verschiedenen Quellen entschädigen den Schäfer für seine Verluste um ein Vielfaches. Die Hilfe der Politik ist immer noch willkommen, aber nicht dringend erforderlich. Denn die Betroffenen generieren die nötigen Einnahmen aus eigener Kraft. Das Beste daran: Diese Strategien lassen sich mit einfachen Mitteln umsetzen.
Wie geht man in Unternehmen mit Problemen um? Oder sind das nur Herausforderungen? Was passiert mit Problemen? Oft möchte sie keiner haben, denn das ist allzu leicht ein Makel. Wer als Mitarbeiter Probleme macht, hat meist mit Schwierigkeiten zu rechnen. Abteilungen, die Probleme machen (zu teuer, zu langsam, zu starr) werden oft restrukturiert oder gleich outgesourct. Ist ein Unternehmen nicht profitabel, also insgesamt problematisch, dann werden Kosten abgebaut und neue Strukturen etabliert.
Die Hoffnung, das Problem so loszuwerden, trügt jedoch meist. Statistisch resultiert aus rund 1/3 der Restrukturierungen eine höhere Profitabilität (Studien von Wayne F Cascio). Probleme loswerden ist eine verbreitete Strategie, führt jedoch selten zu den gewünschten Ergebnissen. Der Wolf kommt zurück – oder der nächste Wolf steht vor der Tür.
Zeit für neue Standpunkte
Ein Schlüssel zum Erfolg und zu funktionierenden Wachstumsstrategien das positive Betrachten von Problemen. Wie wäre es, wenn Probleme als Aufforderung verständen würden, genau hinzusehen und einen Nutzen darin zu sehen? Das steckt schon im Wort Pro-blem. Offensichtlich ist es für uns da, nicht gegen uns. Sonst wäre es ja ein Anti-blem. Hier einige Beispiele für die Anwendung.
Wenn Mitarbeiter Probleme bereiten, dann sind diese in der Regel weder dumm noch unwillig. Oft sind sie falsch eingesetzt. Ihre Strategie zum Erfolg lautet in diesen Fällen: Stellenprofile, Auswahlprozesse und Besetzungen verbessern.
Ist Ihre Personalabteilung rein administrativ ausgerichtet und von Outsourcing bedroht? Positiv betrachtet ist dies eine Aufforderung für eine zukunftsorientierte Strategie und eine wertschaffende Rolle, gerade in einer Zeit des Fachkräftemangels.
Wenn die IT in der Sorge vor Outsourcing gefangen ist, sinkt die Leistung. Positiv gesehen besteht die Aufforderung darin, abteilungsübergreifende Prozesse für den Informationsfluss, die Kundenkommunikation oder neue Wege der Datenanalyse einzuführen, im Sinne von Wertschöpfung und Effizienz.
Wenn ganze Unternehmen Probleme haben, also die Erträge sinken, dann liegt das häufig daran, dass die eigentliche DNA verloren gegangen ist oder dass neue Strategien zu entwickeln sind. In der heutigen Zeit funktioniert mehr vom Selben immer schlechter. Ist die Digitalisierung ein Problem? Positiv betrachtet bietet die Digitalisierung die Chance für die Erneuerung des Unternehmens. Das ist erst einmal Strategie, dann Technik.
Viele dieser Problem-Beispiele lassen sich nicht wegrationalisieren. Es wird Zeit, sie anzugehen und als Chance zu betrachten. Hieraus ergeben sich positive Perspektiven für das einzelne Unternehmen und die gesamte Wirtschaft.
Diese Beispiele verdeutlichen die Macht, die in neuen Standpunkten steckt: Probleme mit neuen Augen sehen. Daraus entstehen neue Strategien, bei denen alle gewinnen.
Probleme haben heute einen schweren Stand im Geschäftsleben. Dabei bieten Probleme, von einer anderen Seite aus betrachtet, einen enormen Schatz. Etablierte Gedanken bleiben dabei auf der Strecke, denn Probleme sind keine Feinde. Im Gegenteil, sie sind Freunde, die zum nächsten Wachstumsschritt auffordern. Das wusste schon Albert Einstein, als er sagte: „Probleme kann man niemals mit der derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“.