Für Wachstum im Unternehmen sorgt nicht nur die Konjunktur. Firmen müssen ihre Chancen selbst erkennen und wahrnehmen
Der Jahresstart ist die Zeit der Pläne und Prognosen. Was bringt das Jahr 2017 wirtschaftlich? Welche Wachstumschancen gibt es? Der Blick auf die Konjunkturaussichten hilft bei der groben Einordnung – deutlich entscheidender ist aber die Wachstumsperspektive in den Unternehmen selbst.
Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland für 2017 liegen zwischen 1,0 und 1,7 Prozent. Und auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft scheint gut. Nicht umsonst: Die Konzerne – ohne Versicherungen und Banken – haben 2016 Rekordgewinne erwirtschaftet. Laut einer Studie von EY von Dezember 2016 steigerten die 100 umsatzstärksten börsennotierten Firmen ihren operativen Gewinn (Ebit) in den ersten neun Monaten 2016 gemessen am Vorjahreszeitraum um 24 Prozent auf insgesamt 89,5 Mrd. Euro. Gewinner waren insbesondere die Automobilhersteller. Schaut man genauer hin, hat diese Bilanz jedoch einen Haken, denn die Gesamtumsätze der Unternehmen schrumpften um 2,7 Prozent. Die Gewinne sind also im Wesentlichen Effizienzzuwächsen zu verdanken.
Die Aussichten für 2017 werden zudem eher skeptisch beurteilt, insbesondere aufgrund des Ausgangs der Wahlen in den USA und der Folgen des Brexit. Um den Erfolgskurs fortzusetzen wird es für die Konzerne daher wichtig, ihren Fokus stärker auf profitables organisches Wachstum zu richten. Dafür sind jedoch andere Strategien als Kostensenkungen und Prozessoptimierungen erforderlich.
Fachkräftemangel bereitet Mittelstand Sorgen
Der Mittelstand äußert sich positiv: Laut Herbstumfrage des Bankenverbandes BVR und der DZ Bank beurteilen 86,7 Prozent der befragten Unternehmen ihre Lage als sehr gut oder gut; im Frühjahr 2016 lag diese Quote noch bei 84,4 Prozent. Besonders die Elektro-, Chemie- und Kunststoffindustrie sind optimistisch, da sie ein besseres Auslandsgeschäft erwarten. 80,7 Prozent der Unternehmen planen in 2017 Investitionen. Deutliche Sorge bereitet dem Mittelstand hingegen der Fachkräftemangel; 70,4 Prozent der Unternehmen sehen hier ihre größten Zukunftsprobleme. Besonders für die oft weniger bekannten kleineren Unternehmen ist eine differenzierte Personalstrategie daher entscheidend für den Erfolg.
Schwaches Wachstum für 2017 prognostiziert das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) auf Basis der Einschätzung von 48 befragten Branchenverbänden. Zuversichtlich ist besonders das Baugewerbe, einen Abwärtstrend fürchten hingegen die Automobilhersteller, von denen eine ganze Zulieferkette maßgeblich abhängt. Weitere negative Entwicklungen erwartet auch die Finanz- und Versicherungswirtschaft. Investiert wird vor allem in die Digitalisierung, insbesondere im Dienstleistungssektor. Als wesentliches Risiko wird der weltweite Trend zu Protektionismus und Nationalismus genannt, der die Exportwirtschaft bedroht.
Ein weiterer externer Faktor, der die Erfolgsaussichten beeinflusst, ist die zunehmende Präsenz chinesischer Unternehmen in Deutschland. 2016 wurden 58 Unternehmen übernommen. Die chinesischen Unternehmen gaben dafür eine Rekordsumme von 11,6 Mrd. Euro aus –, mehr als 20-Mal so viel wie 2015.
Langfristig verfolgt China das Ziel, 2050 in allen technologischen Schlüsselbranchen die Weltmarktführung zu übernehmen. Für die hiesigen Unternehmen wird es daher zunehmend wichtig, eigene Strategien mit längerfristiger Ausrichtung zu entwickeln.
Blick auf interne Erfolgsfaktoren für Wachstum schärfen
Soweit zur Einschätzung der Gesamtlage und der äußeren Faktoren. Generell wird bei der Beurteilung von Wachstumschancen aber viel zu stark auf externe Faktoren wie Konjunktur und Umfeld geschaut. Dabei gerät sehr leicht in Vergessenheit, dass wirtschaftliches Wachstum zu rund 90 Prozent von internen Faktoren des Unternehmens abhängt; selbst widrige externe Umstände haben darauf nur einen Einfluss von 10 bis maximal 15 Prozent. Kurz: die Unternehmen haben es selbst in der Hand, ihr Wachstum zu gestalten. Um diese Chance zu realisieren, braucht es einen stärkeren Blick auf die inneren Erfolgsfaktoren. Hierzu zählen harte Fakten – wie Produkte, Prozesse, Zahl der Mitarbeiter, technische Ausstattung etc – ebenso wie „weiche“ Faktoren und immaterielle Werte, wie etwa Patente, Marken, Kommunikation, Entscheidungen und Strategien.
Für mehr Wachstumserfolg geht es zuvorderst darum, interne Hemmnisse zu erkennen und zu überwinden, Chancen sichtbar zu machen und aktiv zu nutzen. Denn Wachstum und Erfolg sind kein Zufall, sondern folgen bestimmten Gesetzmäßigkeiten und Mustern. Eine Gesetzmäßigkeit ist beispielsweise die Wachstumskurve, d.h. es geht nur begrenzt immer aufwärts. Am Zenit der Kurve ist Selbsterneuerung gefragt. Dabei geht es darum, das Unternehmen schrittweise neu zu erfinden. Die Energieversorger bemühen sich derzeit darum, bleiben aber noch auf der Ebene der Strukturen stecken. Die Automobilhersteller sind aktuell gefordert, Innovation nicht nur mit neuen Technologien, sondern auch mit neuen Mobilitätslösungen zu realisieren. Und die Banken stehen vor der Aufgabe, tragfähige Zukunftsstrategien zu entwickeln und sich dabei auf Kundenorientierung und realwirtschaftliches Engagement zurückzubesinnen.
Gerade bei den heute oft rapiden und disruptiven Veränderungen ist die Fähigkeit zur Selbsterneuerung entscheidend. Zugleich gibt es zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die auch in von starken Preiskämpfen geprägten Märkten, Jahr für Jahr erfolgreich auf organischem Wege wachsen. Deren Strategie ist geprägt von vorausschauendem Handeln, das konsequent auf Chancenorientierung und den Stärken des Unternehmens aufbaut.
Die anfangs gestellte Frage nach den Wachstumsaussichten für Deutschland in 2017 lautet daher genauer: Welche und wie viele Wachstumschancen werden die Unternehmen hierzulande in diesem Jahr wahrnehmen? Chancen sind reichlich vorhanden und lassen sich mit klarer Navigation auf verlässlichem Wege realisieren. Ob dies tatsächlich gelingt, hängt entscheidend davon ab, ob die Unternehmen das Steuer selbst in die Hand nehmen, ihre wachstumsrelevanten inneren Erfolgsfaktoren stärken und die passenden Strategien entwickeln. Das sollte ganz oben auf der Agenda der Unternehmenslenker und Führungskräfte stehen – nicht die primäre Orientierung an allgemeinen Konjunkturerwartungen oder unbeeinflussbaren externen Faktoren.