Commerzbank – Skizze für eine Innovative Restrukturierung

Bei der Commerzbank jagt eine gescheiterte Strategie die andere. Aktuell geht es weiter mit dem Abbau, diesmal nicht nur von Personal, sondern auch von Kunden. Warum sollte diese Strategie nun erfolgreich sein? Die Chancen stehen schlecht. Wie das Bankhaus umsteuern und den Turnaround für Wachstum realisieren könnte.

 

Teil 1. Seit 2009 – gescheiterte Strategien

Die Geschichte der einst stolzen Commerzbank ist wechselhaft. In rund zehn Jahren sind vier große Strategien kläglich gescheitert. 2008 war der Bund eingestiegen, um die Commerzbank bei einem Verlust von 5,4 Mrd. Euro zu retten.

Die erste dieser Strategien war die „Roadmap 2012“ vom Mai 2009, noch unter der Ägide von Martin Blessing, ebenso die zweite vom November 2012. Die Ziele wurden nicht erreicht. So kam es, dass im September 2016 Martin Zielke die Strategie „Commerzbank 4.0“ verkündete – und damit den Wandel hin zu einem digitalen Technologieunternehmen. Als Teil dieser Strategie wurde die Mittelstandssparte zerschlagen, einst das Aushängeschild des Instituts. Seitdem erodieren die Erträge gerade im Firmenkundengeschäft, siehe Ergebnisse 2020.

Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) stellte der Commerzbank 2018 ein schlechtes Zeugnis aus.

„Die Commerzbank scheint gefangen in deiner Strategie, die ins Leere oder bestenfalls irgendwann in eine Zwangsfusion führt. Der Geschäftsplan hat große Schwächen und riskiert die Profitabilität.“

Nicht erst 2019 stellte sich die Frage, ob die Commerzbank eigenständig überlebensfähig ist. Das war ausschlaggebend für die Diskussion über eine Fusion mit der Deutschen Bank. Nach der Absage an diese Verbindung bleibt die Commerzbank ein Übernahmekandidat.

So wurde im Ende 2019 die nächste Strategie verkündet, „Commerzbank 5.0“, ebenfalls ohne die gesetzten Ziele zu erreichen. Im Juli 2020 werfen CEO Zielke und der Vorsitzende des Aufsichtsrats Schmittmann nach Querelen mit Großaktionär Cerberus hin. Anfang 2021 wird Deutschbanker Manfred Knof der neue CEO.

Quellen: https://finanz-szene.de/banking/commerzbank-wie-in-zehn-jahren-drei-strategien-scheiterten/;
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/commerzbank-ezb-bankenaufsicht-1.4202473

2020: Commerzbank aktuell

Die Commerzbank vermeldete im Februar 2021 hohe Verluste für das vergangene Jahr 2020: 2,9 Mrd. Euro. Die Erträge erodieren schneller als die Kosten sich anpassen lassen. Ein Minus von 5% bei Erträgen steht einem Minus von 1 Prozent bei den Kosten gegenüber. Im Firmenkundengeschäft verlor die Bank fast 500 Mio. Euro. Besser lief es mit den Privatkunden, wo ein Gewinn von 368 Mio. Euro verzeichnet werden konnte.

Der hohe Verlust hat auch mit einer Risikovorsorge in Höhe von 1,7 Mrd. Euro zu tun, doch nicht nur. Firmenwerte von 1,5 Milliarden Euro mussten bereits abgeschrieben werden. Für die Restrukturierung schlugen rund 800 Mio. Euro zu Buche (insgesamt rund 1,8 Mrd. Euro).

„Die deutschen Banken sind in denkbar schlechter Verfassung in die vermutlich größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg gegangen: Die Kosten sind vielerorts zu hoch, die Niedrigzinsen lassen gleichzeitig die Einnahmen erodieren, die Gewinne sind deshalb oftmals mickrig. Und so stecken die beiden Großinstitute Deutsche und Commerzbank seit Jahren in beinahe aussichtslosen Dauersanierungen – und Meldungen über eine steigende Vorsorge wegen Problemkrediten bei anderen Häusern dürften sich bald häufen.“ – Lukas Zdrzalek, 8. Januar 2021

Quelle: https://www.wiwo.de/unternehmen/banken/commerzbank-jetzt-platzt-die-kreditbombe/26780800.html?utm_source=amp2

Teil 2. 2021 – die nächste Restrukturierung

Mit der „Strategie 2024“ will die Commerzbank zurück in die Gewinnzone. Als Ziel steht ein Gewinn von 2,7 Mrd. Euro 2024 auf dem Papier. Offen ist, wie hoch die Risikovorsorge im Zuge der Pandemie sein muss; hier können zusätzliche Belastungen lauern.
Strategisch forciert CEO Manfred Knof den weiteren Abbau. Bis 2021 soll die Zahl der Filialen von zuletzt 790 auf 450 sinken. Jede vierte Stelle oder insgesamt 10.000 Jobs fallen weg. Die Kosten sollen um ein Fünftel sinken. Dabei sollen die Erträge gehalten und eine Eigenkapitalrendite von 6,5% bis 7% erwirtschaftet werden.

Ist das neu? Nicht wirklich. Auch Zielke peilte den Abbau von 10.000 Stellen und eine Eigenkapitalrendite von 7% bis 2023 an. Es ist sogar ernüchternd, da statt einem Plus in den Erträgen nun nur ein „Halten“ vorgesehen ist.

Verlust von Kunden eingepreist

Dieses Halten scheint angesichts eines vermutlichen Verlustes von Kunden ambitioniert. Denn der ist bei dieser Strategie mit eingepreist. Im Zuge der Restrukturierung rechnet die Commerzbank mit 1,7 Millionen Kunden weniger bis zum Jahr 2024. Damit gehen rund 300 Mio. Euro Erträge verloren. Die sollen durch Kreditwachstum, Privat- und Geschäftskunden sowie wohlhabende Privatkunden kompensiert werden.

Quelle: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/commerzbank-erwartet-offenbar-abgang-von-1-7-millionen-kunden-a-c6377519-de5e-40f9-b442-09b42434cd4d?xing_share=news

Machtvoller Aufsichtsrat

Als Ersatz für Schmittmann wurde Hans-Jörg Vetter, ehemals Landesbank Berlin und LBBW, im August 2020 aus dem Ruhestand an die Spitze des Aufsichtsrats der Commerzbank bestellt. In kurzer Zeit hat er offensichtlich viel Macht an sich gezogen. Dabei halfen ihm die BCG-Berater, die seit 2019 im Auftrag des Bundes die Strategie der Commerzbank durchleuchtet haben. Die Pläne von BCG gelten seither in Berlin als Leitlinie.

Machtvolle Berater

Berater haben ein großes Wort bei den Strategien der Commerzbank mitzureden. BCG wird kurz nach seinem Amtsantritt von Vetter damit (weiter) beauftragt. Zu dem Zeitpunkt waren auch Bain und McKinsey im Auftrag des Managements aktiv. Das richtet den Scheinwerfer auf die inneren Konflikte und potenziellen Machtkämpfe.

Bain gab „Top Down Targets“ aus und plante einen Wegfall von 8.000 bis 11.000 Stellen. BCG entwickelte zwei Pläne, „Radical Cost Reduction“ und „Digital private bank with Mittelstandsbank“. Diese Pläne waren am radikalsten und sahen einen Abbau von bis zu 17.000 Stellen vor.

Offensichtlich werden die BCG-Aktivitäten in der Commerzbank wie eine Sonderprüfung gesehen, so dass die involvierten Mitarbeiter äußerst vorsichtig agieren.

„Die wichtigsten Commerzbank-Manager sind vor allem damit beschäftigt, BCG-Thesen zu widerlegen,“ so ein Insider

Quellen: https://finanz-szene.de/banking/alles-was-sie-zu-neuen-strategie-der-commerzbank-wissen-muessen/;
https://www.wiwo.de/my/unternehmen/banken/dramatischer-umbruch-die-berater-durchleuchten-die-bank/26697318-2.html

Teil 3. Innovative Restrukturierung – Ansatzpunkte

Viel Zeit ist vergangen und hohe Verluste wurden aufgehäuft. Und doch reiht sich die aktuelle „Strategie 2024“ fast nahtlos in die vorherigen ein, etwas radikaler und mit mehr Wille zur Umsetzung vom CEO und Aufsichtsrat. Doch wird das reichen, um die Commerzbank wieder in die Erfolgszone zu führen?
Hier sind einige Ansätze skizziert, mit denen der Turnaround für Wachstum wahrscheinlicher wird. Diese Ansätze greifen logisch ineinander.

Commerzbank – die Bank für den deutschen Mittelstand

Werte erhalten und nutzen

Bei Restrukturierungen gehen leicht hohe Werte verloren. Viele dieser Werte sind auf den ersten Blick unsichtbar. Sie entziehen sich den klassischen Kostenanalysen.
Solche Werte liegen unter anderem in starken Teams, die gut zusammenspielen und solide Beziehungen zu Kunden haben. Diese Verbindungen generieren maßgebliche Ergebnisse. Sobald diese unsichtbaren Strukturen zerbrochen werden, sinken Produktivität und Erträge. Es braucht viel Zeit, um nach Restrukturierungen die Zusammenarbeit in neu geformten Teams wieder einzuspielen. Manch ein Kunde ist dann für immer verloren.

2016 hat die Commerzbank die Mittelstandsbank aufgelöst. Offensichtlich will Vetter diese Ende 2020 wieder beleben. Doch ist die Milch nicht schon lange vergossen?

Grundsätzlich ist eine Analyse der Stärken und Assets, der materiellen wie immateriellen, vor einer Restrukturierung hilfreich. Damit lassen sich Verluste von Werten vermeiden, in Erträgen, Gewinnen und Chancen für die Zukunft.

Talente halten und Diskurs pflegen

Die Liste der Top Manager, die der Commerzbank den Rücken gekehrt haben, ist lang. In jüngerer Zeit 2020 waren dies Privatkundenvortand Michael Mandel sowie der einstige Hoffnungsträger Roland Boekhout aus dem Firmenkundenbereich.

Gerade in turbulenten Zeiten sollten Unternehmen ihre Leistungsträger kennen und halten. Denn ein Verlust führt leicht zu großen Ergebnis-Lücken.

Darüber hinaus sollte ein offener Diskurs über die strategische Richtung möglich sein, um zu den besten Lösungen zu gelangen. Unterschiedliche Ideen, Standpunkte, Meinungen sind die Grundlage dafür. Solche Ideen kommen oft von den Talenten, die außerhalb des firmeninternen Mainstreams denken – längst nicht nur aus den obersten Reihen.

Ein solcher offener Diskurs ist zugleich integraler Bestandteil eines strategischen Prozesses, der Führungskräfte und Mitarbeiter einbezieht.

Produktivität steigern

Die Produktivität der Mitarbeiter der Commerzbank ist schon 2018 niedrig (rund 175 Tsd. Euro Ertrag pro Mitarbeiter), weit unter dem Branchenschnitt privater Banken von 2014 (rund 247 Tsd. Euro Ertrag pro Mitarbeiter, aus PWC „Wie profitabel ist das Privatkundengeschäft in Deutschland?“).

In einer solchen Situation kann das Institut die (Personal)Kosten den mit der Produktivität sinkenden Erträgen anpassen – oder die Ressourcen produktiver machen. Bisher wurde die erste Variante gewählt.

Im Sinne eines Turnarounds für Wachstum wäre jedoch die Steigerung der Produktivität ein zentraler strategischer Ansatzpunkt für die Commerzbank. Das würde zugleich die Mentalität neu justieren: Wie lassen sich die Ergebnisse mit den vorhandenen Ressourcen verbessern?

Fixierung auf Kosten überwinden

Um die Produktivität zu steigern, braucht es mehr als eine Fixierung auf Kosten und eine technisch verstandene Digitalisierung. Dafür ist eine Ressourcen- und Chancenorientierung erforderlich. Hier einige Gedanken dazu.

Deutschland ist in Sachen Filialdichte im europäischen Mittelfeld. Sind es zu viele Filialen oder aktuell nicht optimal eingesetzte Schnittstellen zu den Kunden?

Apropos Kunden. Der deutsche Bürger setzt nach wie vor in hohem Maß auf das Sparbuch. Wer informiert über weitere Möglichkeiten der Geldanlage – und zwar im Sinne der Kunden? Die Unsicherheit in Sachen Finanzen ist insgesamt groß. Wer sorgt für Orientierung? Viele Menschen kümmern sich kaum um ihr Geld. Wer motiviert zur Freude am aktiven Umgang damit? Hierin liegen hohe Beratungsbedarfe – und damit verbunden hohe Chancen für die Banken (Datenquellen: Statista).

Die Commerzbank könnte mit diesem Wissen über Kundenbedarfe Chancen für granulares Wachstum gezielt finden und nutzen, für Privat- wie für Firmenkunden. Der Dialog mit den Kunden ließe sich in einer hybriden Verbindung der Kanäle gestalten.

Strategieentwicklung umstellen und stärken

Die Commerzbank hat die Strategieentwicklung in die Hände von Beratungshäusern gelegt. Doch ein Berater kann das Unternehmen nie so tief verstehen wie die Mitarbeiter. Darüber hinaus wird von dieser Seite oft die Fixiertheit auf Kosten befördert, ebenso das Denken in Benchmarks (Vergleichen). Welche Rolle bleibt dem Management?

Daher wäre es günstig, wenn die Commerzbank strategische Prozesse nutzen würde, die Führungskräfte wie auch Mitarbeiter einbinden. Damit würde transparent, wo die eigentlichen Stolpersteine auf dem Weg in die Zukunft liegen. Zudem würden Chancen für Wachstum in reicher Fülle auf den Tisch kommen.

Ein weiterer positiver Effekt wäre die Dynamik, die solche Prozesse auslösen – echte Hoffnung für die Zukunft.

Umsetzungsfähigkeit sichern

Jede Strategie lebt von der Umsetzung und diese wiederum von einem guten Handwerk der Führung. Wenn es hier hapert, kann man das kritisieren; oder man kann Abhilfe schaffen.

Gerade die Grundlagen guter Führung sind wie die Lebensadern im Unternehmen und der „Transmissionsriemen“ jeder Umsetzung. Zugleich fördert dies die Agilität.

Führung und starke Führungsprozesse lassen sich gezielt aufbauen und stetig fördern. Damit schaffen Unternehmen Erfolgsgrundlagen weit über die aktuelle Veränderung hinaus, denn sie entwickeln die Menschen wie auch die Organisation weiter. Ideal erfolgt dies Hand in Hand mit neu aufgesetzten strategischen Prozessen. Dann ließe sich die Stärkung der Führung mit der Umsetzung der angestrebten Ergebnisse verbinden und somit messbar machen.

Disruptive Innovationen entwickeln

Zusätzlich könnte die Commerzbank darüber nachdenken, wie sie ihre Ressourcen jenseits von Banking einsetzen kann, als disruptive Innovation. Die Nähe zum Bund ist dafür die ideale Basis. Ein solcher Gedanke könnte in Richtung kommunale Services gehen. Denn in den Kommunen gibt es Personalengpässe, die in den kommenden Jahren durch den demographischen Wandel massiv vergrößert werden.

Teil 4. Ausblick

Im Moment ist nicht erkennbar, wie ein weiterer Abbau den Niedergang der Commerzbank aufhalten kann. Doch wird das Institut innovative Wege gehen? Das wäre nicht nur wünschenswert, sondern notwendig für einen Turnaround für Wachstum. Mit den hier skizzierten integrierten Vorgehensweisen könnte die Commerzbank möglicherweise neu erstarken und dem deutschen Mittelstand ein stabiler Partner sein. Die Ideen liegen auf dem Tisch.

Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

Wachstums-Newsletter

 

Strategien und Change für profitables Wachstum. Jetzt abonnieren.

Das hat geklappt. Vielen Dank für Ihre Anmeldung.