Frauen und Männer – ein scheinbar ewig schwieriges Thema. Die Zeit, in der Frauen keine gleichen Rechte hatten, liegen nicht weit zurück. Bis heute sind wir von Gleichberechtigung weit entfernt. Wie kommt es, dass die Annäherung so lange dauert und voller Stolpersteine ist? Die Täuschungen unserer Wahrnehmung spielen dabei eine zentrale Rolle. Wie die wirken und was wir alle, Männer wie Frauen, anders machen können, finden Sie hier. Vorsicht: Nicht frei von persönlichen Bewertungen.

 

Frauen im Business – wo wir herkommen und heute stehen

Es ist nicht lange her: Erst ab 1977 durfte eine Frau ohne Genehmigung Ihres Ehemanns berufstätig sein. Bis dahin waren Haushalt und Kinder klar der Frau zugeordnet. Das wirkt in den Köpfen offensichtlich noch immer nach.

2018 sind 92 Prozent der Vorstandsmitglieder Männer (160 börsennotierte Unternehmen).

„Thomas ist im September 2018 der häufigste Name in den Börsenvorständen, und es gibt mehr Thomasse und Michaels (60) als Frauen insgesamt (56)“. – AllBright Stiftung

2020 ist der Frauenanteil in DAX-Vorständen gesunken (AllBright-Stiftung). Die Krise stärkt die Monokultur; die Unternehmen setzen auf die „Thomasse“ und „Michaels“.

Woran liegt das? Ein Dreh- und Angelpunkt liegt in unserer Wahrnehmung, in unseren Wünschen und Hoffnungen, in Stereotypen, also in verdrängten Emotionen und unbewussten Denkweisen.

 

Führung

 

Führung – das männliche Paradigma und die Folgen

Ein echter Anführer weiß, wo es langgeht. Er entscheidet. Zur Not haut er auf den Tisch. Er hält die Kontrolle, komme was da wolle. Emotionen, das sind „Mädchensachen“, die keiner braucht. Nun, zum Entertainment und für die Quote sind sie gut (sorry). So denken viele.

Es gibt Frauen, die sich diesem männlichen Führungsparadigma angepasst haben. Oft sind diese Frauen härter als der härteste Mann.  

Dieses männliche Führungsparadigma wird immer noch hochgehalten. Dabei ist (eigentlich) schon lange klar, dass dies nicht funktioniert. Hier ein paar ausgewählte Fakten.  

Die Top 1.000 Unternehmen in Deutschland sind wachstumsschwach, schon 2018 und damit lange vor der Pandemie. Die Profite entwickelten sich sogar negativ (EY Studie). In Sachen Marktkapitalisierung sind die großen deutschen Unternehmen schon lange von der Konkurrenz aus den USA und Asien abgehängt worden; dazu gibt es viele Untersuchungen.

Die Aussichten für die Zukunft sind nicht besser. Nur 8 der Top 50 vitalen Unternehmen sitzen in Europa, keines davon in Deutschland (BCG Studie 2020). Nur rund 25 % der deutschen Unternehmen spielen vorne mit bei Innovationen; der Rest läuft mit oder ist sogar fern von Innovation (Bertelsmann Studie 2019).

Die Strategien, die heute – und schon länger – ganz alltäglich genutzt werden, führen also nicht zum Erfolg. Allen voran gilt das für die Restrukturierung, die bestenfalls in 30 Prozent der Fälle zu dauerhaft höheren Profiten führt (u.a. Wayne Cascio 2002). Dennoch werden diese Strategien unbeirrt fortgesetzt. Die, die sie umsetzen, werden wie Helden gefeiert – an besten noch härter, noch tiefere Einschnitte, noch mehr Abbau.

 

Die scheinbare Revolution der Führung

Dagegen ist die „weibliche Art“ der Führung eher emphatisch und kommunikativ. Dazu gehört die Reflexion, das Zuhören, das Einbeziehen anderer Menschen und Meinungen.

Positiv gesehen ist das „revolutionär“. Negativ gesehen wird es schlichtweg als schwach interpretiert und dadurch abgewertet. Wer so führt, kommt nicht an die Spitze, ist viel zu weich, so das Denken (Vorsicht, Täuschung). Diese Herabsetzung gilt für Frauen und für Männer, die diesen eher leisen und kooperativen Führungsstil bevorzugen.

 

Täuschungen – Biases

Hier sind überall Täuschungen der Wahrnehmung am Werk (englisch Biases), völlig unbemerkt und natürlich fast ungestört. Denn Täuschungen täuschen und wirken damit im Verborgenen, so lange, bis jemand das Licht der Aufmerksamkeit auf sie lenkt. Wenn das passiert, ist das Aufheulen groß – aktuell zu beobachten bei Männern wie bei Frauen.

 

 

It´s the Bias Stupid

„Aber Vorurteile sind wie Lemminge: Einer folgt dem anderen, bis ganz nach unten.“ – Monika Frech, Dark Horse

Verzerrungen oder Täuschungen der Wahrnehmung zeichnen uns ein Bild der Wirklichkeit, das nur in unserem Kopf existiert. Wenn viele Menschen sich auf ein solches Bild geeinigt haben, fällt das gar nicht weiter auf (übrigens eine Täuschung, die als Konformität bezeichnet wird). Männer sehen das Führungsparadigma nicht, denn für sie ist das so selbstverständlich, wie für einen Fisch das Wasser. Frauen sehen das, denn sie stoßen an unsichtbare Grenzen. Diese zu benennen ist schwer.

Hier sind einige der Täuschungen, die es gerade den Frauen schwermachen. Im Grunde machen auch die Männer sich das Leben auf diese Weise unnötig schwer.

 

Vorurteile, Täuschungen, Stereotype erkennen

Stereotype

Männer sind hart und kennen keine Tränen. Frauen sind lieb, nett und emotional, so sagt man. Wenn eine Frau klar und direktiv ist, wird sie schnell als „bossy“ abgestempelt. Und ein Mann, der Emotionen zeigt, ist ein „Weichling“. Echt – immer noch?

Wir sollten uns solche Stereotype bewusst machen. Wir alle sind emotionale Wesen, Männer wie Frauen. Gemeinsam sollten wir Emotionale Intelligenz lernen. Denn Emotionen treiben jede (Business-)Entscheidung.

 

Blinder Fleck

Leider glauben viele Menschen, dass sie logisch und rational sind – und alles in dieser Welt nüchtern sehen. Die Zahlen werden gerne als „Alibi“ dafür bemüht, alternativ der gesunde Menschenverstand. Wenn jemand reflektieren muss, dann bitte die anderen.

Leider stimmt das nicht. Wir sind alle in gleichem Maß von Täuschungen betroffen. Denn Zahlen werden von Menschen gemacht und von Menschen interpretiert. Der einzige Unterschied ist der, ob ich „es“ – die blinden Flecken – bemerke und korrigiere oder eben nicht.

Hier hilft nur die Reflexion. Dafür muss man(n) zuerst absteigen vom hohen Ross des „Ich bin davon nicht betroffen“ oder „Ich weiß es besser“. Jeder, der das tut, sollte große Wertschätzung erhalten.  

 

Selbstwert

Wir bevorzugen Entscheidungen, die unser positives Selbstwertfühl stärken. Deshalb schauen manche Männer nur frontal in den Spiegel (sorry). In den Unternehmen führt das leider dazu, dass wichtige Fakten unter dem Tisch bleiben. Denn über bestimmte Dinge darf man nicht sprechen. Das sind Tabus, obwohl alle sie kennen.

Doch nur der Blick auf die brutalen Fakten führt nach vorne, denn das ist eine der Voraussetzungen für dauerhaften Erfolg (Jim Collins). Dafür müssen diese natürlich angesprochen werden. Ein konstruktiver Umgang mit (eigenen) Fehlern gehört ebenso dazu.

 

Bevorzugung des Handelns

Gerade in uneindeutig Situationen neigt man(n) zum schnellen Handeln – auch ohne eine Analyse der Situation. Denn Reflexion ist ja für die anderen (sorry). Dabei geht leider viel Porzellan kaputt, denn allzu schnell werden Werte zerschlagen – unbemerkt. Wenn man die später benötigt, sind sie weg, etwa Kompetenzen von Menschen, die entlassen wurden oder Unternehmensbereiche, die veräußert wurden.

Daher ist der erste Schritt auch hier die Reflexion, die Analyse der Situation, die Forschung nach den eigentlichen Ursachen der Schieflage. Auch das Einholen von Feedback hilft. Dann kommen die brutalen Fakten auf den Tisch. Erst danach sollte das Handeln folgen.  

 

Status-Quo

Viele Unternehmen haben aktuell nur noch wenig finanziellen und zeitlichen Handlungsspielraum. Das liegt daran, dass Veränderungen ausgeblendet oder ausgesessen wurden – schon lange vor der Pandemie. Denn das Bestehende zu wahren und darin Sicherheit zu suchen ist eine verbreitete menschliche Präferenz. Offensichtlich ist Deutschland ganz besonders stark davon betroffen.

Wenn es ganz schlimm kommt, bis in die Krise, muss ein Held des Handels her, klar im männlich geprägten Führungsparadigma mit einer Bevorzugung von schnellen Taten. Das muss jemand sein, der es (vermeintlich, hoffentlich) besser weiß. In Krisen ist das oft ein Unternehmens- oder Insolvenzberater. Die Quoten des Erfolgs sind jedoch bitter niedrig, bei Sanierungen unter 5 Prozent.

Daher ist in den Unternehmen ein guter Radar nach außen wichtig, um Veränderungen früh zu sehen und zum eigenen Vorteil zu nutzen. Hand in Hand damit braucht es Transparenz im Innen, also die Zahlen und Fakten auf den Tisch. Aufbauend darauf ist eine klare strategische Steuerung möglich, Vorausschau inklusive.

 

Bevorzugung von Erfolgreichen

Macht und Status spielen in der Business-Welt eine große Rolle. Sobald ein ranghöherer Mensch (meist ein Mann) den Raum betritt, wagen viele kaum noch die eigene Meinung zu sagen. Denn nur der Standpunkt des Chefs zählt. Das stärkt die Monokulturen. Innovation wird so im Keim erstickt.

Die Pioniere die Probleme und Lösungen offen ansprechen, werden aufs Abstellgleis verfrachtet oder aussortiert. Leider sind solche Pioniere meist wenig an der formalen Macht interessiert, so dass sie frustriert von dannen ziehen. Den Unternehmen gehen damit die Lösungen für die Zukunft verloren.   

Wichtig ist, dass in solchen Runden alle Beteiligte ihre Meinung sagen dürfen, ohne dafür aus dem Unternehmen gekegelt zu werden. Das ist heute leider nach wie vor alles andere als selbstverständlich.

 

Redezeit

Reden ist Gold und Reden ist Macht. Oft nehmen Männer wie selbstverständlich mehr Redezeit in Anspruch. Gerade ranghohe Männer tun das. Sie unterbrechen andere und halten lange Monologe – oft mit erstaunlich wenig Inhalt. Darüber hinaus erklären Männer den Frauen gerne die Welt, auch wenn die Frauen sichtbar kompetenter sind. Das sind allesamt Mechanismen, um Macht und Status zu demonstrieren und zu zementieren.  

Dieses Problem lässt sich einfach und pragmatisch regeln: Mit einer Gleichverteilung der Redezeiten (Danke an Monika Frech für die Idee). Dann kommt jeder Beitrag auf den Tisch und wird gehört. Es kann (könnte) so einfach sein.

 

 

Und jetzt?

Macht Sie das emotional? Sträuben sich Ihnen die Haare?

Das ist gut – und ein Beweis dafür, dass wir nicht logisch und rational sind.

Hier geht es nicht gegen die Männer oder für die Frauen. Es wäre einfach, die Täuschungen der Wahrnehmung zur Seite zu schieben, gemeinsam. Wir können das sorgfältig selbst gezimmerte Weltbild im Dialog beleuchten. Mit Feedback lässt sich mehr sehen. So können wir uns selbst korrigieren und die bis dato weißen Flecken der mentalen Landkarte erschließen. So entstehen neue Lösungen.

Männer und Frauen können und müssen lernen, mit sich selbst wie auch den unterschiedlichen Präferenzen in Führung und Verhalten umzugehen. Wir benötigen Formen der Zusammenarbeit, mit denen wir die Unterschiede nutzen, und nicht alles nach dem heute gängigen dysfunktionalen Schema formen.

Im Moment sind gerade die Männer auf diesem Weg gefordert. Nicht, um Frauen nach oben zu heben (auch wenn das ein schönes Bild ist), sondern, um die Unternehmen erfolgreich zu machen und unseren Wohlstand zu sichern.

Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

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