Eine merkwürdige Ruhe herrscht – und große Sorge vor einer Pleitewelle. Die Zahl der Insolvenzen ging 2020 zurück – doch im Dezember 2020 nach oben. Viele Entscheider in den Unternehmen warten und warten und warten … oft, bis es zu spät ist. Denn bessere Zeiten kommen so schnell nicht. Zugleich gibt es eine Fülle von Chancen und Strategien für Wachstum, Innovation, (Selbst)Erneuerung. Gerade die Entscheider in der Wirtschaft sollten nun aktiv werden, um die Situation nüchtern zu betrachten und die Unternehmen dann kraftvoll nach vorne zu bringen – für eine zügige Erholung und um Werte wie auch Wohlstand für die Zukunft zu sichern.

 

Rückläufige Insolvenzen 2020

Die Bundesregierung hat im März 2020 aufgrund der Pandemie die Pflicht zum Anzeigen von Insolvenzen aufgehoben. Doch viele Unternehmen waren schon lagen vor der Coronavirus-Krise in Schwierigkeiten – und haben von dieser Regelung profitiert, auch unabhängig von der Krise. So war im letzten Jahr 2020 die Zahl der Insolvenzen niedrig wie selten zuvor.

Auch wenn im Moment alles ruhig scheint, geht vielen Unternehmen allmählich die Luft aus. Die Pleitewelle baut sich auf, gar nicht so still und heimlich. An vielen Stellen scheint eine Art Schockstarre zu herrschen.

 

Pleitewelle oder nicht?

Im Dezember 2020 ist die Zahl der Firmenpleiten um 18% in die Höhe geschnellt. Ist das der Anfang der seit langem befürchteten Pleitewelle? Kommen alle die bisher nicht gemeldeten Insolvenzen nun auf die Agenda?  Das steht zu befürchten.

Die Commerzbank geht nicht von einem „Insolvenz-Tsunami“ aus, da der Mittelstand sein Eigenkapital gestärkt hat (Graphik von Jörg Krämer, Commerzbank).

Andere Prognosen basieren auf der aktuellen Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Demnach sind rund 175.000 Unternehmen von der Pleite bedroht. Das gilt besonders für die Bereiche, die direkt von Schließungen durch den Lockdown betroffen sind.

Der Umfrage zufolge hat jeder fünfte Betrieb mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. Auch bisher wirtschaftlich gesunde Firmen geraten in Schwierigkeiten. 23% Industrieunternehmen verlieren zunehmend an Eigenkapital. Das ist ein großes Alarmsignal, denn bisher haben gerade diese dazu beigetragen, dass Deutschland die Krise relativ gut bewältigen konnte.

Je länger der Lockdown, desto größer die Risiken.

 

Miese Stimmung

In mit den negativen Nachrichten und den weiter hohen Unsicherheiten verschlechtert sich die Stimmung. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist rückläufig und fiel im Januar im Vergleich zum Vormonat überraschend stark um 2,1 auf 90,1 Punkte.

„Die Unsicherheit hat zugenommen in der Wirtschaft – auch weil sich die Impfungen hinziehen dürften“, so Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

Deutschland erreicht nach Ansicht der Bundesregierung konjunkturell erst Mitte 2022 wieder das Vorkrisenniveau.

Datenquellen: https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-01/dihk-umfrage-insolvenz-corona-lockdown-ifo-geschaeftsklima; Jörg Krämer, Commerzbank

 

Tunnelblick und Schockstarre forcieren Insolvenzen

Die geballte Ladung schlechter Nachrichten führt schnell zu Emotionen wie Angst und Unsicherheit, die in der Krise so oder so weit verbreitet sind. Dann ist der Tunnelblick nicht mehr fern, der zu einer Art Schockstarre führt – also abwarten und auf bessere Zeiten hoffen; oder die altbekannten Strategien herausholen, etwa die klassische Restrukturierung und den Abbau.

Schockstarre und Tunnelblick sind zutiefst menschlich, ebenso das Nutzen vermeintlich bewährter Strategien. Dennoch sollte ein solcher Zustand zügig überwunden werden. Denn der gefährdet die Zukunft des Unternehmens und forciert die Risiken der Insolvenz. Der Weg heraus und zum Erkennen von Alarmstufe Rot kann über zwei Wege gelingen: Mit dem Blick auf die Zahlen und mit der Reflexion.

 

Alarmstufe Rot erkennen – Blick auf die Zahlen

Viele Unternehmen hatten schon vor der Pandemie schwierige Zeiten. Dafür gibt es einfache Kennzahlen. Schon wenn das Unternehmen weniger wächst als Markt oder Wettbewerb, so ist es auf Alarmstufe Rot. Auch Konflikte über die strategische Ausrichtung und häufige Strategiewechsel sind Krisensignale, die jedoch oft nicht als solche gesehen werden.

Natürlich sind rückläufige Umsätze und Profite Alarmsignale, die weitaus offensichtlicher sind. Das gilt ebenso für sich wiederholende Restrukturierungen. Oft ist das Unternehmen dann schon der Ertrags- oder gar Liquiditätskrise. Der Handlungsspielraum und die Chancen für den Turnaround sinken rapide. Spätestens bei Eintritt der Insolvenzreife liegt dann das Steuerrad des Unternehmens nicht mehr in Händen der bisherigen Entscheider.

Insolvenzanwälte berichten derzeit, dass zahlreiche Unternehmen laut den Büchern bereits die Insolvenzreife erlangt haben. Und dennoch – Veränderungen bleiben aus. Die Schockstarre bleibt, trotz Blick auf die Zahlen.

 

Verdrängen, schönreden, weiter wie bisher?

Die Alarmsignale beim Blick auf die Zahlen zu verdrängen oder schönzureden ist natürlich hoch gefährlich. Denn dem Unternehmen geht früher oder später die Luft aus.

Auch weiter auf den Abbau zu setzen funktioniert nicht, denn nur ein Drittel der klassischen Restrukturierungen führt zu dauerhaft gesteigerter Profitabilität (siehe u.a. Studien von Wayne Cascio). Oft gehen sogar Werte verloren und die DNA des Unternehmens wird beschädigt. Damit ist der Weg in die Zukunft verstellt.

Je länger Entscheider warten oder weitermachen wie bisher, desto geringer ist die Chance auf einen Turnaround für Wachstum. Nicht nur die Finanzmittel werden knapp, sondern auch die Zeit. Ist erst einmal die Insolvenz da, bleiben nur noch wenige Wochen. Dann ist meist nur noch der Verkauf oder die Abwicklung machbar.

 

Alarmstufe Rot erkennen – Reflexion

Die Zahlen allein reichen offensichtlich für viele Entscheider nicht aus, um Alarmstufe Rot zu sehen – oder sich diese einzugestehen. Als Menschen unterliegen wir naturgemäß Mechanismen wie dem Tunnelblick und Verzerrungen der Wahrnehmung. Das an sich können wir nicht verhindern. Wohl aber können wir uns das bewusst machen. Das gelingt über Reflexion.

Reflexion ist der Raum zwischen Reiz und Reaktion, der in operativer Hektik oder bei starken Emotionen geschlossen bleibt. Dieser Raum öffnet sich durch Innehalten und Nachdenken. Die Coronavirus-Krise fordert dazu auf, genau hier nach Neuem zu suchen. Das ist dem Land der Dichter und Denker sehr angemessen. Denn hier, in diesem scheinbar unscheinbaren Raum, liegen neue Lösungen für Wachstum, Innovation, (Selbst)Erneuerung.

 

Reflexion: Nobles Nachdenken und (Kunst)Form des Dialogs

Reflexion wird heute gerade auf den Top Management Etagen noch allzu oft mit Schwäche verwechselt. Dabei ist dies eine äußerst noble Form des Nachdenkens und dazu angetan, neue Lösungen zu schaffen.

Stärker wird dieses Nachdenken mit professioneller Unterstützung und durch gute Fragen, gestellt von einer geschulten Person. Denn für sich selbst sieht man schlecht. So wird die Reflexion zu einer außergewöhnlichen (Kunst)Form des Dialogs, der auf Stärken baut, nach Erkenntnis sucht und neue Lösungen hervorbringt.

Denn oft stellen wir uns, wenn allein gelassen, äußerst ungünstige Fragen, etwa:

„Wie konnte ich es soweit kommen lassen?“

„Was, wenn die Kollegen / Mitarbeiter / Familie / Bank … das mitbekommen?“ 

„Was soll nur aus mir / dem Betrieb werden?“

„Hätte ich nicht damals xy tun sollen? Wie dumm von mir!“

Bessere Fragen sind:

„Wozu mache ich mich selbst blind und was will ich vermeiden?“

„Was ist das Schlimmste, das passieren kann?“

„Wie können Lösungen aussehen? Welche Alternativen habe ich?“

„Wer kann mich und uns dabei unterstützen?“

„Was sollte ich verändern – und welche Veränderungen benötigt das Unternehmen?“

Zu solchen Fragen gewinnen Menschen in Krisen meist nicht von allein Zugang. Hier wird zugleich zweierlei klar: Die Offenheit für Feedback und Fragen öffnet den Raum der Lösungen. Die Qualität der Fragen bestimmt die Lösungen, die gefunden und umgesetzt werden.

Wer hier früh ansetzt, kann Krisen und Insolvenz vermeiden, mit ausreichend Zeit für den Turnaround.

 

Die Fülle der Chancen für Wachstum, Innovation, (Selbst)Erneuerung

Zur gleichen Zeit, in der in vielen Unternehmen die Alarmsignale laut und lauter werden, ist die Welt voller Chancen für Wachstum, Innovation, (Selbst)Erneuerung.

Unzählige Strategien für Wachstum sind gangbar, von pragmatisch-operativ bis hin zur strategischen Vorausschau entlang von Trends. Unzählige Wege zur Innovation stehen offen, sei es graduell oder disruptiv. Viele dieser Vorgehensweisen sind einfach umsetzbar und mit den inneren Ressourcen des Unternehmens machbar.

 

Statt Insolvenz Turnaround für Wachstum

Entscheider in den Unternehmen können und sollten jetzt aktiv nach Chancen für Wachstum fahnden und diese realisieren. Hier sind einige Beispiele skizziert.

  • Stärken. Auf Stärken bauen und damit die Positionierung und Einzigartigkeit des Unternehmens stärken. Auf Stärken bauen führt zu Exzellenz.  
  • Ausschöpfen. Das Ausschöpfen von vorhandenen Potenzialen, die in jedem Unternehmen liegen, gelingt über Bottom-Up Prozesse, welche die Mitarbeiter einbeziehen. Denn die kennen Hürden und Chancen für Wachstum am besten.
  • Bündeln. Innovation durch Bündelung von Produkten und Services angehen, um einzigartige Angebote zu entwickeln und aus Preiskämpfen auszusteigen. Denn die besten Innovationen entstehen aus Bewährtem, das neu zusammengesetzt wird.
  • Die Märkte und Anwendungen systematisch segmentieren und granuläre Chancen für Wachstum finden. Hier liegen enorme Chancen, gerade für Unternehmen mit einem breiten Portfolio von Produkten und Technologien.
  • Geschäftsmodelle. Innovative Geschäftsmodelle sind ein Weg für die (Selbst)Erneuerung des Unternehmens. Gerade digitale und zirkuläre Geschäftsmodelle sollten dabei im Fokus stehen.
  • Aus Fehlern lernen und diese für die Weiterentwicklung nutzen, statt sie unter den Teppich zu kehren, ebnet den Weg für Veränderungen. Die Analyse kommt so heraus aus Schuldzuweisungen und Vorwürfen.
  • Trends lassen sich früh erspähen und nutzen, um vorausschauend zu handeln. Der wache Radar ist gerade heute, in einem sich schnell ändernden Umfeld, ein Erfolgsfaktor.

Das sind nur einige der Möglichkeiten, mit denen Entscheider die Insolvenz grundlegend vermeiden und stattdessen Zukunft gestalten können. Diese Liste lässt sich fast beliebig verlängern. Die Themen lassen sich einzeln oder als konzertierte Aktion angehen, je nach Situation des Unternehmens. Damit entsteht eine äußerst positive Wirkung auf Umsatz, Profit und Unternehmenswert, auf Motivation der Belegschaft und Reputation.

Natürlich braucht jedes Unternehmen ein starkes Team, eine gute Zusammenarbeit und klare Führung, um diese Strategien anzugehen. Auch diese Elemente lassen sich systematisch aufbauen und gestalten. Zugleich führt dies zu mehr Produktivität.

Wichtig ist: Es gibt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, wenn die Zahlen in diesen Zeiten schlecht sind. Ganz im Gegenteil ist gerade jetzt die Zeit, um kraftvoll neue Strategien anzugehen und vorhandene Ressourcen optimal zum Einsatz zu bringen.

 

Die Pleitewelle brechen – jede Entscheidung zählt

Eine starke Erholung der Wirtschaft wird nur gelingen, wenn viele Entscheider jetzt in Richtung Wachstum, Innovation, (Selbst)Erneuerung aktiv werden, sich für den Blick auf Chancen entscheiden, sichtbar und kraftvoll handeln. Für Schockstarre bleibt dann kein Raum. Mit neuen Ideen und Erfolgen kommt auch die Zuversicht zurück. Das ist eine Aufwärtsspirale, die sich selbst verstärkt und positive Wirkung weit über das Unternehmen hinaus entfacht.

Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

Wachstums-Newsletter

 

Strategien und Change für profitables Wachstum. Jetzt abonnieren.

Das hat geklappt. Vielen Dank für Ihre Anmeldung.