Der Westen steht vor dem Ende des Wachstums. Wie Unternehmen Symptombehandlung vermeiden und ihren künftigen Erfolg gestalten können. 

Nach 30 Jahren Wachstum sollen den Unternehmen in der westlichen Welt schwierige Zeiten bevorstehen. Das prophezeit eine McKinsey-Studie. Demnach werden die Firmen zwar weiterhin wachsen, doch die Gewinne sollen unter Druck geraten und volatil werden. Verantwortlich dafür seien insbesondere neue Geschäftsmodelle, mehr Wettbewerber sowie steigende Lohnkosten.

Diese Entwicklungen sind nicht wirklich neu, doch sie zeigen Wirkung. Viele Industrieunternehmen und Familienbetriebe erleben das bereits schmerzhaft. Trotz führender Positionen schmelzen ihre Gewinnmargen dahin.

Die meisten Unternehmen reagieren auf die Herausforderungen defensiv, mit Preiskämpfen und in der Folge Restrukturierungen. Die eigenen Stärken und Innovationen werden nicht in ambitionierte Strategien übersetzt. Die globalisierte Welt wird zum Feindbild. Der Weg in eine Abwärtsspirale ist vorgezeichnet. Das gilt vor allem dann, wenn die Defensive verstärkt und symptombezogen agiert wird.

Sinnvoller ist es, Handlungsstrategien zu entwickeln, die den Ursachen sinkender Margen auf den Grund gehen und daher weitaus größere Erfolgschancen versprechen. Fünf Empfehlungen:

 

1. Selbst gestalten

Entscheider sollten die Position der Verfolgten verlassen und stattdessen selbst gestalten

Im Kern geht es um einen Paradigmenwandel, weg vom Denken von innen nach außen. Heute exportieren viele Unternehmen ihre Produkte in andere Länder. Die Probleme, die gelöst werden müssen, bleiben dabei offen. So setzt die Automobilindustrie auf etablierte PKW-Modelle für den Export nach China (oder die dortige Produktion) und bekommt weiche Knie, wenn die Zulassungszahlen begrenzt werden – oder wenn herauskommt, dass die Emissionswerte zu hoch sind.

Die Probleme der Mobilität und des Umweltschutzes hier und in einem Land wie China, in dem noch viel mit Kohle geheizt wird, bleiben bestehen. Dies illustriert, wie Unternehmen heute von innen nach außen denken und dadurch Chancen verpassen. Um dies zu ändern und ein Denken von außen nach innen zu entwickeln, braucht es den unverstellten Blick auf laufende Veränderungen und die Vorausschau, Gestaltungswillen, ein Verständnis anderer Märkte und dortiger Bedarfe, ein Ernst nehmen auch kleiner Wettbewerber. Unternehmen, denen dieser Wandel gelingt, stehen auch künftig auf der Gewinnerseite.

 

2. Perspektivisch denken

Entscheider sollten perspektivisch denken, nicht kurzfristig

Die Forderung nach langfristiger Ausrichtung statt auf Quartalsgewinne wird schon seit den 1980er-Jahren diskutiert. Dies beruht auf der Annahme, dass die Führungskräfte den Kapitalgebern ausgeliefert sind. Oft genug sind es jedoch gerade die Führungskräfte selbst, die kurzfristig orientiert sind, da Boni in diese Richtung weisen, da Positionen zeitlich befristet sind oder weil sie in vorauseilendem Gehorsam handeln. Doch heute sind Investoren auch an Umsatzwachstum und Nachhaltigkeit interessiert, nicht nur an Gewinnen. Der Haniel-Vorstandsvorsitzender Stephan Gemkow etwa hat es vorgemacht, als die Familie 2012 ein Jahr ohne Dividende auskommen musste und dies akzeptiert hat.

Die Führungskräfte selbst müssen also zunächst ihr kurzfristiges Denken überwinden. Mit einer klaren, langfristig ausgelegten Strategie und gut geplanten Investitionen haben sie alle Argumente, um die Unterstützung von Investoren und Kapital für Wachstum zu gewinnen.

 

3. Erneuerung statt Umbau

Entscheider sollten Erneuerung nicht mit Restrukturierung verwechseln

Das Tempo und die Radikalität des heutigen Wandels zwingen die Unternehmen zur radikalen Erneuerung, wollen sie nicht zum Spielball äußerer Kräfte werden. Doch viele sind das schon. Jedes Unternehmen, das aufgrund von Ertragsschwierigkeiten restrukturiert, hat den Zeitpunkt der Erneuerung versäumt. Bei diesem Punkt scheint es so, als ob Führungskräfte Erneuerung und Restrukturierung verwechseln. Erneuerung ist das aktive, stetige und planvolle Umgestalten der Organisation entlang einer Strategie. Die meisten Restrukturierungen erfolgen jedoch als Reaktion auf Ertragsschwierigkeiten. Eon und RWE sind Beispiele dafür, dass der Weg aus der Ertragskrise durch Restrukturierung gesucht wird. Doch solange das alte System präsent ist, wird diese Strategie kaum erfolgreich sein.

Problematisch ist, dass nur wenige Unternehmen und Berater die Gesetzmäßigkeit der Selbsterneuerung kennen und in der Lage sind, diese umsetzen. Zur Selbsterneuerung gehört das Wissen über die eigenen Stärken, die Kombinationsfähigkeit, die Balance zwischen Einzigartigkeit und Vergleichbarkeit, hohe Umsetzungsstärke inklusive der Fähigkeit zur Kursanpassung, Agilität und Flexibilität. Erneuerung führt demnach zu fundamental anderem Handeln als Restrukturierung.

 

4. In geistiges Kapital investieren

Entscheider sollten in Wissen investieren

Geistiges Kapital ist heute das entscheidende Kapital. Erfolg und Misserfolg liegen nur eine Idee weit auseinander. Viele Unternehmen sammeln Daten und nutzen Open Innovation, um Ideen von außen in das Unternehmen zu holen. Doch das geistige Kapital entsteht nicht durch das Sammeln von Daten. Die eigentliche Kunst liegt im offenen Hinhören und in der Auswertung. Die Frage ist, inwieweit Führungskräfte heute den schon im Unternehmen vorhandenen Ideen Gehör schenken. Dies gilt insbesondere dann, wenn Querdenker etablierte Geschäftsmodelle und Prozesse in Frage stellen.

Entscheidend bei der Investition in Wissen ist also zunächst das Forschen im Unternehmen selbst, dann in den Netzwerken. Der Erfolg dabei setzt folgendes voraus: Denken jenseits von Hierarchiedenken und Einzelinteressen, konstruktiver und an der Sache orientierter Diskurs, Unterscheidung von Fakten und Interpretationen. Erst dann können Wissen und Daten für den Erfolg nutzbar werden, egal aus welcher Quelle.

 

5. Neue Sicht auf Mitarbeiter

Entscheider sollten in Human-Kapital investieren

Der „War for Talent“ wurde schon Ende der 1990er-Jahre ausgerufen. Doch es geht um weit mehr als um Personalmarketing und eine neue Rolle der Personalabteilung. Wie bei der Investition in Wissen geht es um eine neue Sicht auf Mitarbeiter, weg von „Kosten auf zwei Beinen“, die bei Bedarf entlassen oder outgesourct werden können, hin zu Human-Kapital, das Investitionen Wert ist. Kommen Unternehmensgrößen wie Siemens und die Deutsche Bank durch Restrukturierung und Personalabbau in die Schlagzeilen, hat das naturgemäß Konsequenzen auf deren Attraktivität für Talente. Die Vorteile von Größe und Bekanntheit schwinden.

Attraktiv sind dynamische Unternehmen, die vorausschauend und mit ambitionierten Strategien agieren und dadurch Chancen bieten. Das braucht einen Wandel in der Strategieentwicklung hin zum Gestalten, mit Mitarbeitern als Ressource, die dies treiben. Erst aus diesem Verständnis heraus kann die Personalabteilung die Aufgabe als professioneller Personalportfoliomanager übernehmen und die Umsetzung von Strategien sichern. Ein solches Handeln ist wertvoll für das Unternehmen und wertschätzend für alle Beteiligten.

Diese Analysen verdeutlichen, dass Unternehmen zunächst verstehen müssen, was sie heute in die Defensive und Paralyse treibt, welche Faktoren verhindern, dass bereits laufende Veränderungen zu Ende gedacht und als Chance genutzt werden. Weiter sollten die Unternehmen die geistigen Werte als Basis für den Erfolg zu schätzen und die Ressourcen entsprechend zu managen lernen. Aus diesen Anforderungen resultieren klare Maßnahmen, welche die Grundlagen für Erfolg in der Zukunft schaffen. Dann muss kein Unternehmen Verfolgung oder Margenverfall fürchten, sondern kann andere das Fürchten lehren.

 

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Link zur Veröffentlichung

Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

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