Nach der globalen Weltwirtschaftskrise 2008 folgte eine Zeit des Wachstums für viele Unternehmen und Volkswirtschaften. Gerade Deutschland war vom Aufschwung beflügelt. Doch in Zeiten des Erfolgs geht allzu leicht die Achtsamkeit verloren. Schon lange sind die Zeichen einer kommenden Rezession präsent. Hier sind die acht Indikatoren, mit denen Unternehmen früh die Zeichen einer drohenden Weltwirtschaftskrise erkennen können.


 

Immer weiter Wachstum – ein Irrglaube 

Die letzten Jahre waren für Deutschland erfolgreiche Wachstumsjahre. Ein Rekord folgte auf den nächsten. Die Produktion brummte, der Export lief, die Stimmung war blendend. Das war gut und wichtig für die Zuversicht und neue Stärke nach den Wertverlusten 2008. Doch in erfolgreichen Zeiten geht allzu leicht der Blick auf Risiken verloren. Der Glaube verbreitet sich, dass es immer weiter aufwärts geht. Doch Wachstum ist zyklisch. Auf jeden Aufschwung folgt auch wieder ein Abschwung. Die Frage ist, wann und in welchem Ausmaß.

Schwierige Prognosen einer Weltwirtschaftskrise 

Gerade in der Wirtschaft gibt widersprüchliche Berichte zur globalen Situation und Risiken. Manche Berichte sind auf kurzfristige Schwankungen fixiert. Das stetige Auf und Ab macht es schwer, mit diesen Daten Vorhersagen zu treffen. Andere Berichte befassen sich mit langfristigen Trends, etwa der Demographie oder dem Klimawandel. Die jeweils zugrunde gelegten Daten und deren Interpretationen sind unterschiedlich. Daher ist es schwer, auf dieser Basis zu klaren Prognosen bezüglich einer möglicherweise anstehenden Weltwirtschaftskrise zu gelangen.

Der Aktienmarkt – kein guter Indikator 

Die Aktienmärkte eignen sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht, um Prognosen über die Zukunft zu machen. Denn Wertverluste dort traten in der Historie überwiegend erst nach Rezessionen ein, also nachdem die Wirtschaft sich schon abgeschwächt hatte. Zudem funktionieren Aktienmärkte meist auch in schwierigen Zeiten auf einem vernünftigen Niveau. Und wenn die Kurse einmal tief fallen, bleiben sie selten lange dort. Aktienmärkte haben demnach mehr die Rolle eines Zuschauers, die den Entwicklungen folgen.

 

Der Kreditmarkt – ein wertvoller Indikator 

Grundsätzlich bietet der Kreditmarkt eine bessere Basis, um Weltwirtschaftskrisen zu antizipieren. Denn in der Vergangenheit hatten viele Krisen dort ihren Ursprung. Zuletzt war das die Immobilienkrise in den USA, von der die globale Rezession ausging. Darauf reagierten dann die Aktienmärkte.

An den Kreditmärkten zeigt sich deutlich die Wechselwirkung zwischen Finanz- und Realwirtschaft. Das beruht auf der Funktionsweise der Kreditmärkte. Es ist wichtig, diese Ursache-Wirkungsketten zu sehen.

  • Kreditmärkte sind illiquide. Die Handelsvolumina sind niedrig im Vergleich zu Aktien. Kredite werden eher ver- als gekauft. Der Verkauf von Krediten ist jedoch schwer. Anbieter von kurzfristigen Krediten können diese fällig stellen und neue Kredite verweigern. Dann müssen die Schuldner Vermögenswerte verkaufen, was sie meist in einer schwierigen Situation trifft.
  • Die Banken und besonders Hedge-Fonds erwirtschaften Gewinn aus dem Missverhältnis zwischen ihren Vermögenswerten und Verbindlichkeiten. Sie investieren in längerfristige Darlehen und nehmen dafür kurzfristige Kredite auf. Wenn die langfristigen Zinssätze höher sind als die kurzfristigen, werden attraktive Renditen erwirtschaftet. Zwei Effekte können das stören: Die kurzfristen Zinssätze sind höher als die langfristigen. Dann gehen Gewinne verloren. Oder Finanzinstitute können keine kurzfristigen Kredite zu guten Preisen aufnehmen. Dann verkaufen Sie Vermögen weit unter Wert (distressed assets).
  • Strategien in den Kreditmärkten sind stark von Gruppendenken bestimmt. Die Strategien sind ähnlich oder gar gleich. Banken beobachten sich gegenseitig. Wer die höchsten Gewinne erzielt, dem wird nachgeeifert. Die Wahl anderer Strategien und damit ein Ausgleich der Märkte ist fast ausgeschlossen. So war es nicht möglich, bei der letzten Krise gegen den Immobilienmarkt zu wetten, da die erforderlichen Sicherheiten fehlten.
  • Die staatliche Rettung führt zu erheblichen moralischen Gefahren. Anleger am Kreditmarkt gehen davon aus, dass der Staat bei Überschuldung eingreift und Banken oder Länder vor der Pleite bewahrt. So koppelt sich die Kreditvergabe von den tatsächlichen Risiken ab.

Wäre die Kreditaufnahme der US-Verbraucher oder auch des griechischen Staates rechtzeitig gestoppt worden, hätte die Weltwirtschaftskrise bzw. Schuldenkrise vermieden werden können. Die Risiken hätten jedoch antizipiert und das Eingreifen frühzeitig erfolgen müssen.

Weltwirtschaftskrisen vorhersehen

Weltwirtschaftskrisen entwickeln sich über Zeit und zeichnen sich immer lange vor ihrem Eintreten ab. Führungskräfte in Unternehmen können diese Zeichen lesen und ihre eigene Prognose durchführen. Dann versetzen sie sich in die Lage, Strategien zu entwickeln, um Risiken zu minimieren und dauerhaftes Wachstum zu sichern.

Um solche Prognosen vorzunehmen, sollte der Blick der Führungskräfte sich zum einen auf den Kredit- und Finanzmarkt richten, zum anderen auf die Gesamtwirtschaft und den globalen Kontext.

Kredit- und Finanzmarkt: Hier sind fünf Indikatoren für eine drohende Weltwirtschaftskrise bedeutsam, die sich zum Teil leicht und zum Teil etwas schwerer ausmachen lassen.

  1. Lockere Standards für die Kreditvergabe. Die Erosion von Kriterien für die Kreditvergabe ist ein klarer Hinweis auf eine bevorstehende Krise. Beispielsweise wurde bei der Kreditvergabe für Immobilien in den USA vor der Weltwirtschaftskrise von zu optimistischen Annahmen des Wertzuwachses ausgegangen bzw. die Käufer waren schlicht nicht kreditwürdig.
  2. Hohe Schuldenstände. Das gilt für Staaten und Regierungen, für Unternehmen und Einzelpersonen. So sind die staatlichen Schuldenstände nach der Finanzkrise erheblich gestiegen. Oder wirtschaftliches Wachstum war durch Kredite finanziert. Schätzungen des IWF zufolge liegen in China die Verbindlichkeiten von Staat, privaten Haushalten und Unternehmern bei 282 Prozent der Wirtschaftsleistung (2017).
  3. Hohes Wachstum der Schuldenstände. Wenn die Verschuldung von Unternehmen und Privathaushalten schneller wächst als das BIP, geht die Schuldentragfähigkeit verloren. Die hohe Verschuldung am Immobilienmarkt war ein Auslöser der Krise 2008. Einige europäische Länder konnten in den letzten Jahren das Schuldenwachstum bremsen.
  4. Hoher Leverage. Kurzfristige Kredite zur Finanzierung von langfristigen Assets bei zugleich extrem hohen Verschuldungsgraden werden besonders von Hedge-Fonds genutzt. Die Öffentlichkeit ist überwiegend ahnungslos. Für die Banken sind Hedge-Fonds profitable Kunden. So wird mit Geld Geld verdient.
  5. Transaktionen ohne Werthaltigkeit. Wenn Banken z.B. Handel betreiben oder mit Derivaten aktiven sind, entstehen keine realen Werte. Schätzungen zufolge umfasst der intransparente Derivate-Markt mindestens 544 Billionen USD (2017, http://money.visualcapitalist.com/worlds-money-markets-one-visualization-2017/).

Beim Blick auf die Kredit- und Finanzmärkte ist zu berücksichtigen, dass die Banken sich noch nicht stabilisiert haben. Zugleich zeigt die enorme Größe des Derivatemarkts, dass Finanz- und Realwirtschaft sich weitgehend entkoppelt haben.

Daher müssen die Banken sich auf ihr ureigenes Geschäft der Finanzierung der Wirtschaft besinnen. Das würde auch Risiken aus dem Kredit- und Finanzmarkt nehmen und damit Weltwirtschaftskrisen vermeiden helfen. Die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte verläuft jedoch in die entgegengesetzte Richtung.

Gesamtmarkt und Kontext: Hier finden sich drei Indikatoren einer Weltwirtschaftskrise, die aus der lokalen und globalen Verflechtung resultieren.

  1. Grad der Abhängigkeit von China. Viele Unternehmen und Volkswirtschaften sind enorm abhängig vom Warenaustausch mit China, genauer dem Verkauf ihrer Produkte im dortigen Markt. Zugleich verfolgt China offen und transparent eine Strategie der Eigenständigkeit und Expansion. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann die Marktanteile und damit die Profite ausländischer Firmen unter massiven Druck geraten. Die deutsche Automobilindustrie hat hier enorme Risiken. Darüber hinaus schwächt sich auch das Wachstum in China selbst ab – und steht aufgrund der hohen Schulden unter Druck.
  2. Investitionen der Unternehmen. Dies ist ein wichtiger Indikator für die Einschätzung von Chancen durch die Unternehmen und den Willen die Zukunft zu gestalten. 2008 war das Jahr mit dem höchsten Volumen von Aktienrückkäufen in Deutschland. Auch 2018 investierten etliche große Unternehmen in Aktienrückkäufe, unter anderem Allianz und Siemens. Das ist stets eine Entscheidung gegen Investitionen und gegen das Bedienen von Schulden.
  3. Staatliche Investitionen. Insbesondere sind staatliche Investitionen in die Felder nötig, die für zukünftiges Wachstum sorgen: Forschung, Digitalisierung, Basis-Infrastruktur, Bildung und Gesundheit. Denn hier entscheidet sich die Zukunft des Standortes. Doch Deutschland fällt im europäischen Vergleich zurück und hat enormen Nachholbedarf.

Hier wird deutlich, dass der Blick auf globale und lokale Abhängigkeiten für Unternehmen unerlässlich ist. Dieser übergreifende Blick ist wichtig für die Prognose von Risiken und für die Entwicklung von vorausschauenden Wachstumsstrategien.

Diese Liste der Indikatoren soll eine strategische Hilfestellung sein und die Aufmerksamkeit auf kritische Themen lenken, ohne Vollständigkeit zu beanspruchen.

 

Weltwirtschaftskrisen – Überraschungen vorbeugen

Weltwirtschaftskrisen müssen keine Überraschung sein. Führungskräfte in Unternehmen können die Indikatoren, die auf Krisen hinweisen, beobachten und zukünftige Entwicklungen antizipieren. Dabei ist es wichtig, die richtigen Indikatoren im Blick zu haben; das sind nicht die Aktienmärkte.

Es braucht eine große Umsicht, Übersicht und Disziplin der Führung, um mit wachem Radar die Finanzwelt und die lokalen wie auch globalen Entwicklungen einzuordnen. Vor allen Dingen muss die Gefahr gebannt werden, sich vom Erfolg in ein Gefühl der Sicherheit einlullen zu lassen. Führungskräfte, denen das gelingt, werden ihr Unternehmen auch bei stürmischem Seegang sicher zu Wachstum und neuen Ufern navigieren.

 

In diesen Artikel sind Gedanken von Tim Koller eingegangen, „A better way to anticipate downturns“, McKinsey 2010. https://www.mckinsey.com/business-functions/strategy-and-corporate-finance/our-insights/a-better-way-to-anticipate-downturns

 

Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

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