Diese Analyse stammt aus dem August 2015 und wurde nur an wenigen Stellen auf den aktuellen Stand gebracht. Traurig ist, dass viele Fehlentwicklungen durch die klassische Restrukturierung weiter forciert wurden, bis zum heutigen Status. Dazu gehört auch die Fusion mit Galeria Kaufhof. Nun erhält das Unternehmen unter neuem Namen Galeria Geld vom Staat. Höchste Zeit also, dass die eigentlichen Ursachen der Misere angegangen werden, so dass das Geld des Steuerzahlers nicht verloren ist. Die Ansätze der Innovativen Restrukturierung tragen dazu bei und eröffnen Wege, um dauerhaften Mehrwert zu schaffen.

Im August 2015

Restrukturieren und kein Ende. Die vergebliche Sanierung von Karstadt / Galeria – und eine Alternative.

Karstadt: Vom Pionier zur Resterampe

Vom einstigen Pionier des Warenhauskonzepts, das Rudolph Karstadt am 14. Mai 1881 in Wismar begründet, ist im Karstadt-Konzern wenig übriggeblieben. In 2014 / 2015 hat das Unternehmen die Umsätze weiter verringert und die Verluste vergrößert. Ein Grund dafür sind „außerordentliche Aufwendungen im Rahmen der Restrukturierung“. Die hat in dem Zeitraum über 90 Mio. Euro gekostet, überwiegend für Abfindungen. Genutzt hat es dem Unternehmen nicht. Obwohl die immer roten Zahlen seit der Insolvenz und Rettung 2010, eigentlich schon seit 2002, eine deutliche Sprache sprechen, wird der immer gleiche Kurs fortgesetzt: Filialschließungen und Abbauprogramme; die stehen auch 2015 und 2016 an.

Führungswechsel ohne Ende

Die Führung wechselte seit 2010 fast so häufig wie das Sortiment, vom durch Nicolas Berggruen eingesetzten Andrew Jennings über Eva-Lotta Sjöstedt und Kai-Uwe Weitz bis zu Stefan Fanderl, der seit Ende 2014 die Zügel in Händen hält.

Update Januar 2021: Stefan Fanderl hat auch den 2019 fusionierten Konzern Galeria Karstadt Kaufhof geleitet. Im Juni 2020 wirft er hin. Miguel Müllenbach übernimmt die Leitung. Es folgt im März 2020 eine neue Insolvenz bzw. ein Schutzschirmverfahren. Diese Phase ist ab 1. Oktober 2020 formal beendet, mit einem erheblichen Schuldenschnitt von rund 2 Mrd. Euro und weiterem Personalabbau. Im Januar 2021 erhält der Konzern staatliche Unterstützung in Höhe von rund 460 Mio. Euro.

Verantwortungsabgabe an das Umfeld

Die bisher durchgeführten Analysen schreiben die Schwierigkeiten von Karstadt Effekten wie schlechte Witterung, fehlgeschlagene Imagekampagnen oder nicht gelungene Positionierung im Premiumbereich zu. Tiefer gehende Analysen sehen die Ursachen bei der Unternehmensführung, dem Sanierungsprozess und Verlust von Stammkundschaft. Alles das haben die Top Manager sicherlich gehört. Und dennoch bleibt der Erfolg aus.

Die klassische Restrukturierung vernichtet Wert

Was Karstadt erlebt, ist symptomatisch für viele vormals erfolgreiche Unternehmen. Sie bluten von Restrukturierung zu Restrukturierung aus. Siemens, Thyssenkrupp, Deutsche Bank, Opel, auch Familienunternehmen wie zuletzt Schlecker, zählen zu dieser Riege. Auch wenn die Unternehmen stabil erscheinen, sind deren Zukunftsperspektiven keinesfalls klar. Schlecker musste 2012 schließen, trotz Beratung für die Neupositionierung.

Von der Strategie- bis zur Liquiditätskrise

Was läuft nun wirklich schief, bis eine Krise eintritt? Es ist hinreichend bekannt, dass vor der Liquiditätskrise die Ertragskrise und die Strategiekrise liegen. Dennoch passiert in diesen frühen Phasen oft wenig, so lange, bis sich die Schwierigkeiten nicht mehr leugnen lassen.

Warum verharren Unternehmen so lange?

Dies lange Verharren, fast wie eine Schockstarre, hat zwei fundamentale Gründe, die fatale Folgen haben.

Der erste Grund ist der falsche Weg der Lösungssuche, das „Abwarten“ und das „Mehr oder Weniger vom Selben“, also Lösungen „nullter“ und erster Ordnung. Diese bleiben auf der Ebene des Problems und verschärfen dieses weiter. Restrukturierungen sind, sofern sie nicht Teil einer aktiv gestaltenden Strategie sind, Lösungen erster Ordnung, denn der eigentliche Grund der Schieflage bleibt bestehen. Dies zeigt sich in der Aufeinanderfolge der Restrukturierungen, ohne dass eine Verbesserung eintritt.

Der zweite Grund ist die Abgabe von Verantwortung. Dies betrifft die höchsten Ebenen des Managements, zieht sich durch das Unternehmen und ist heute allgemein akzeptiert. Ein typisches Phänomen ist die Forderung, dass der Staat es richtet, ein anderes, dass die Konjunktur schuld ist. „Konjunktur“ ist dabei beliebig ersetzbar, etwa durch Witterung, Wettbewerb, Globalisierung.

Zwei Grundlagen der erfolgreichen Sanierung

Um Schieflagen zu vermeiden und nachhaltig profitabel zu wachsen, sollten Unternehmen daher zwei Grundlagen schaffen.

1. Lösungen zweiter Ordnung

Die erste Grundlage umfasst eine Routine im Entwickeln von Lösungen zweiter Ordnung. Dies erfordert einen Standpunktwandel, denn dadurch wird die Ebene des Problems verlassen. Der Unterschied der Strategie ist im wahrsten Sinn des Wortes „nur“ einen Gedanken weit entfernt.

Ein Beispiel: Schwächen ausmerzen oder auf Stärken bauen. Bei der Strategie Schwächen ausmerzen wird analysiert, dass Karstadt im Premiumbereich schwach ist. Also muss dieser ausgebaut werden. Karstadt hat dies getan und dabei Kunden verloren. Bei der Strategie auf Stärken bauen wird analysiert, welche Kunden Karstadt gut versteht, nämlich Kunden im mittleren Segment. Also zielen die Maßnahmen auf die Bedürfnisse dieser Kunden. Das ist bei Karstadt nicht geschehen.

Ein weiteres Beispiel ist die Betrachtung von Mitarbeitern als Kostenfaktor oder als Ressource. Bei der Betrachtung als Kostenfaktor ist Personalabbau die Folge, bei Karstadt wie bei vielen anderen Unternehmen. Bei der Betrachtung als Ressource entstehen Maßnahmen, um diese zu nutzen, etwa durch das Abfragen von Ideen oder den passenden Einsatz. Die Chance von Karstadt, mit einer konzertierten Einbindung der Mitarbeiter den Turn-around zu schaffen, wurde verpasst.

2. Übernahme von Verantwortung

Die zweite Grundlage ist die Übernahme von Verantwortung für Ergebnisse, anstatt diese an externe Faktoren abzugeben. Dies erfordert die Reflexion des eigenen Handelns und der eigenen Rolle.

Die Fragen für die Reflexion sind simpel: Was habe ich mit dem Ergebnis zu tun? Was kann ich tun, um das Ergebnis zu verbessern? Dies ist zugleich ein zusätzlicher Weg, um Probleme auf der Ursachenebene zu lösen.

Zum Beispiel können sich die Top Manager bei Karstadt fragen, welche Veränderungen und Risiken, ebenso welche Chancen, sie übersehen haben und was sie so und nicht anders hat handeln lassen. Werden die Antworten darauf juristisch gesucht, wie in der Causa Middelhoff, blieb die Reflexion dieser Fragen über eine lange Zeit hinweg aus.    

Wie könnte ein Weg aussehen, der die beiden Erfolgsfaktoren nutzt? Hier eine fiktive Geschichte der Zukunft. Wie Karstadt der Turn-around für Wachstum gelungen ist. 

Eine Alternative für Karstadt (betrachtet im Jahr 2015)

Viele Köpfe einbinden

Die Lage von Karstadt ist bereits bedrohlich. Das Top Management entscheidet zügig, dass die wenigen Köpfe an der Spitze allein nicht den richtigen Weg in die Zukunft finden können, auch nicht mit Hilfe der bekannten Beraternamen. Daher entschließen sich Top Management und Aufsichtsrat für den Weg, die Mitarbeiter einzubinden und gemeinsam die Sanierung zu gestalten.

Potenziale für Umsatz und Produktivität

Dies startet mit einer Reihe von Veranstaltungen, in denen die die Mitarbeiter ohne Einschränkungen die aus Ihrer Sicht ungenutzten Potenziale notieren und beziffern. Dies umfasst sowohl Potenziale am Markt bei den Kunden als auch interne Potenziale in der Produktivität. Weiter entwickeln die Mitarbeiter konkrete Ansatzpunkte, mit denen sich die Potenziale realisieren lassen. Geschulte Moderatoren sammeln und bündeln die Themen.

Diese Roadshow umfasst die unterschiedlichen Häuser und Regionen. Dabei werden lokale Kundenwünsche, interne Kommunikationsengpässe, Defizite in der Führung und verpasste Veränderungen transparent. Das Top Management ist in einigen Veranstaltungen dabei, um zuzuhören, Ursachen für die Schieflage zu finden und Optimierungen zu entwickeln.

Strategien: Lokal und übergreifend

Aus den in nur wenigen Wochen gesammelten Erkenntnissen entwickelt das Unternehmen lokale Strategien für die einzelnen Häuser und eine übergreifende Neuausrichtung für neues und dauerhaftes Wachstum.

Das Unternehmen richtet sich mit einem relativ breiten Produktspektrum auf die mittleren Kundensegmente aus. Führungskräfte werden systematisch für die Realisierung von Ergebnissen unterstützt. Entscheidungskompetenzen werden so verteilt, dass in den Kaufhäusern Spielraum für lokale Anpassungen ist. Experimente sind bis zu einem gewissen Budget erlaubt. Die gesamte Strategie basiert auf der Vision des Gründers und den Stärken von Karstadt für den Service am Kunden sowie einer Vereinfachung von Prozessen.

Voneinander und miteinander lernen

Die Sammlung von Erkenntnissen aus den Veränderungen ist obligat. Diese werden breit zur Verfügung gestellt. Die Führungskräfte treffen sich regelmäßig in unterschiedlichen Gruppen, um über Fortschritte zu sprechen und den Kurs zu korrigieren.

Die Umsetzung fordert viel vom Top Management. Jeder setzt sich mit den Fehlern der Vergangenheit, mit eigenen Stärken, Schwächen und Bewertungsmustern auseinander. Der eigene Beitrag zum Erfolg und Misserfolg ist transparent, es bildet sich ein echtes Team an der Spitze, das sich gegenseitig unterstützt.

Die Umsetzung fordert ebenso viel von den Mitarbeitern. Jeder zählt und ist für Ergebnisse verantwortlich. Fehler vertuschen funktioniert nicht mehr. Vielmehr dienen diese dazu, den Erfolgsweg zu stärken. Die meisten Mitarbeiter sind begeistert und engagiert. Die Mitarbeiter, die diesen Weg nicht gehen wollen, werden nach intensiven Gesprächen und klaren Kriterien entlassen. Dafür gewinnt das Unternehmen neue Mitarbeiter, die gerne ein Teil dieser Wachstumsstory sind. Der Weg hat Höhen und Tiefen, doch die Tendenz stimmt. Nach 18 Monaten ist klar, es ist geschafft, Karstadt schreibt wieder schwarze Zahlen, das erste Mal seit 2002!“

In jeder Krise liegen Chancen. In jeder Restrukturierung liegen Keime für Wachstum. Maßnahmen und Wege, um diese zugänglich zu machen, sind reichlich vorhanden. Dies erfordert ein Umdenken im Top Management, um Lösungen zweiter Ordnung zu entwickeln, Verantwortung zu übernehmen, auf Stärken zu bauen und die Ressourcen von Wissensarbeitern optimal auszuschöpfen.

 

Update Januar 2021. Durch die staatlichen Zuwendungen kann ein solcher Weg für den fusionierten Konzern Galeria Karstadt Kaufhof wieder offenstehen. Dieser müsste zügig angegangen werden, um die weitere Vernichtung von Werten zu vermeiden und tragfähige Perspektiven für die Zukunft zu schaffen.

Update Januar 2022. Inzwischen wurden weitere Restrukturierungen umgesetzt, mit neuem Logo und Filialkonzepten. Das Unternehmen, nun unter der Firmierung Galeria, erhält erneut Staatskredite.

Für Ihre Restrukturierung

Wenn Sie Ihre Restrukturierung zum Turn-around für Wachstum machen wollen, unterstützen wir Sie gerne dabei. Alle Informationen finden Sie hier: https://www.carpeviam.com/innovation-statt-restrukturierung/.

 

Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

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