Corporate Germany, die „Deutschland AG“ ändert sich rasant. Die CEOs und Vorstandsteams der Konzerne können nicht länger damit rechnen, dass ihrem Tun zugestimmt wird, dass sie trotz schlechter Ergebnisse ihre Ruhe haben und das Okay der Investoren erhalten. Anteilseigner verweigern namhaften CEOs die Entlastung. Klima-Aktivisten ergreifen das Wort in Hauptversammlungen. Manch ein CEO steht da wie ein Schuljunge. Das muss nicht sein. Vorstandsteams, die mit Weitblick handeln und offen wie auch transparent Zukunft gestalten, werden auch weiter Zustimmung und Vertrauen erhalten.


 

Bayer, UBS, RWE, … wer kommt als nächstes?

Was ist nur los in der “Deutschland AG”, auch in der Schweiz?

Erst traf es den Bayer-CEO Werner Baumann. Ihm wurde am 26. April 2019 die Entlastung verweigert. Der hohe Wertverlust des Konzerns in Folge der Übernahme von Monsanto war zu viel.

Und es ging direkt weiter. Am 2. Mai 2019 traf es ein anderes prominentes Unternehmen, die UBS in der Schweiz mit Vorstandsvorsitzenden Sergio Ermotti und Verwaltungsrats-Chef Axel Weber, ehemals Bundesbank-Präsident. Auch hier verweigerten die Anteilseigner die Entlastung. Der Grund sind hier hohe Strafzahlungen wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Am 3. Mai 2019 folgte RWE mit einer turbulenten Hauptversammlung. Klima-Aktivisten protestierten schon vorab. Luisa Neubauer als deren Repräsentantin ging in ihrer Rede den CEO Rolf Martin Schmitz frontal an. Sie sagte unter anderem, „dass die RWE-Anteilseigner ihre Verantwortung für ein paar Cent Rendite verkauften.“ Herr Schmitz sah sich zur Zustimmung gezwungen und betonte, dass RWE auf dem Weg der erneuerbaren Energie wandelt. Dennoch, zwischendurch stand er da wie ein Schuljunge. 

„Dennoch, zwischendurch stand er da wie ein Schuljunge.“

Dem CEO die Entlastung verweigern – ein Tabu ist gefallen

Der Nimbus der unangreifbaren CEOs und Aufsichtsräte ist gefallen. Die Verweigerung der Entlastung von DAX-CEO Baumann hat ein Tabu gebrochen. Das kommt einer Rebellion gleich. Dies kann nun an jeder Stelle geschehen.

Denn Aktionäre und Interessensvertreter melden sich zu Wort, so lautstark, dass sie Gehör finden. Das bewirkt Veränderungen, wie die Worte von Herrn Schmitz zeigen. Doch es gibt auch reflexhafte Abwehr, denn bei Bayer bekannte sich der Aufsichtsrat direkt zu seinem CEO. Es dauerte einige Tage, bis eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung zum Thema Vertrauen anberaumt wurde.

Das Versagen der Kontrollsysteme 

Die Deutschland AG lebte lange von Beteiligungen zwischen Banken, Versicherungen, Unternehmen. Vorstandsmitglieder hatten oft zahlreiche Aufsichtsratsmandate inne. Dadurch war es einer kleinen Gruppe von Menschen möglich, hinter verschlossenen Türen wichtige Entscheidungen zu treffen. Die Politik mischte oft mit. Auch die Gewerkschaften wurden zunehmend Nutznießer dieses Systems. So ist es bei VW verdächtig ruhig beim geplanten Abbau von 7.000 Stellen. 

Die viel diskutierten Corporate Governance Regeln waren nur eingeschränkt wirksam. Noch immer gehen viele CEOs nach Ende ihrer Amtszeit direkt in den Vorsitz des Aufsichtsrats. Das macht die Erneuerung der Unternehmen schwer bis unmöglich. Die Forderungen nach unabhängigen wie auch fachkundigen Aufsichtsräten wird lauter, auch nach Diversity. Laut EY sind 71% der Aufsichtsräte Deutsche, obwohl gerade die großen Unternehmen maßgebliche Umsätze im Ausland generieren. 

Doch die Besetzung der Aufsichtsräte ist nur ein Teil der Lösung. Entscheidend ist vielmehr, dass die CEOs und Vorstände ihre Rolle neu verstehen, so dass sie gar nicht erst diese harsche Kritik und Abstrafung provozieren. Die Möglichkeit dazu liegt komplett in deren eigenen Händen. Das hat weniger mit geltendem Recht, als vielmehr mit dem Verständnis der eigenen Verantwortung zu tun.

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5 Erfolgsfaktoren für CEOs und Vorstände

Hier sind fünf Maßnahmen, mit denen Vorstände die Gefahr einer Abstrafung und öffentlichen Blamage ebenso deutlich wie nachhaltig verringern können.

1.     Alle Erfolgsfaktoren sehen

Gerade an der Unternehmensspitze ist es von höchster Bedeutung, alle Erfolgsfaktoren im Blick zu haben. Doch heute liegt der Fokus einseitig auf Zahlen und Logik. Das ist auf der einen Seite gut, denn die Zahlen müssen stimmen. Auf der anderen Seite ist dies massiv zu kurz gesprungen, denn so übersehen die CEOs, wie die Zahlen zustande kommen. Die Zahlen haben ihren Ursprung naturgemäß im Denken und Handeln der Belegschaft. Der Vorstand hat hier einen großen Einfluss, denn dessen Denkmuster prägen sich ein und werden kopiert, bewusst und unbewusst.

Manchmal ist ein ganzes Unternehmen gefangen, etwa in Hybris, Paralyse oder einer patriarchalen Kultur, die von einer Person abhängt. Das sind die Themen, die der Vorstand essenziell mit auf Ihrer Agenda haben muss – und in der eigenen Reflexion. Denn sonst verpuffen alle Strategien.

So hat CEO Baumann nicht gesehen, dass die Übernahme von Monsanto vielleicht Synergien und Marktmacht verspricht, aber Handlungsweisen und Kultur nicht zusammenpassen. Darüber hinaus waren die Risiken von Anfang an unüberschaubar. Daher war eine solch große Übernahme womöglich dem eigenen Wunsch nach Bedeutung geschuldet.

Der Fall Bayer unterstreicht auch die essenzielle Rolle guter strategischer Entscheidungen, die einen Rahmen für den Erfolg schaffen. Denn sonst helfen auch hohe Anstrengung und eine konstruktive Haltung nicht. Gute Entscheidungen wiederum basieren zwingend auf der Betrachtung aller Erfolgsfaktoren. So schließt sich der Kreis.

 

2. Die Zukunft zur Priorität machen

Gerade der Vorstand benötigt freie Zeit und Raum, um die Zukunft des Unternehmens zu gestalten. Die Mitarbeiter können diese Aufgabe nicht wahrnehmen, denn sie sind im operativen Geschäft eingebunden. Auch haben sie weniger Überblick und ein anderes Wissen.

Zukunft gestalten ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Und es ist zugleich die nobelste Führungsaufgabe. Dafür braucht es einen offenen Radar für den Wandel, in der eigenen Branche und außerhalb. Denn Veränderungen kommen von allen Seiten. Diese müssen früh erkannt werden, um daraus strategische Vorteile zu entwickeln.

„Zukunft gestalten ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
Und es ist zugleich die nobelste Führungsaufgabe.“

Das hat viel mit einem neugierigen Geist, mit stetigem Lernen, Nachdenken und Mut zu tun. Daher müssen CEOs es vermeiden, nur solche Menschen, um sich zu haben, die Ihnen nach dem Mund reden. Sie brauchen die Pioniere, Innovateure und Querdenker, um ihren eigenen Horizont zu erweitern. Die Realität sieht heute leider oft ganz anders aus.

So hat Herr Schmitz bei RWE es offensichtlich versäumt, die Klimasorgen der Gesellschaft früh und proaktiv in seine Strategien und Kommunikation aufzunehmen. Es wäre ein Leichtes gewesen, das zu tun.

 

3. Gute Entscheidungen treffen

Entscheidungen können bekanntlich weise oder töricht, richtig oder falsch sein. Wenn es einem CEO gelingt, weise Entscheidungen zu treffen, gewinnt das Unternehmen enorme Vorteile. Weitere Vorteile entstehen, wenn Vorstände in der Lage sind, Entscheidungen zügig zu revidieren. Dazu gehört das Eingeständnis, auch einmal falsch zu liegen. Das hat jedoch nichts mir opportunistischem Handeln oder schnellen Strategiewechseln zu tun. 

Für gute Entscheidungen ist es notwendig, alle Erfolgsfaktoren im Blick zu haben und auf die Zukunft ausgerichtet zu sein. Weiter erfordern gute Entscheidungen die Reflexion, das Zuhören und ernst nehmen anderer Meinungen. Dieselgate lässt grüßen. Denn bei VW hatten die Mitarbeiter schon lange vor dem öffentlich Werden auf Probleme mit Abgaswerten hingewiesen.

Gute Entscheidungen basieren ebenso auf einer langfristig angelegten Strategie. Wofür steht das Unternehmen? Welche Probleme löst es? Welchen Beitrag soll es leisten? Die Antworten darauf tragen ein Unternehmen auf Dauer. Dann muss es kein Hüh und Hott geben, wie etwa bei Thyssenkrupp mit einer Aufspaltung, die dann doch nicht kam.

Gute Entscheidungen sind auch ethische Entscheidungen. Wenn legale Grenzen für mehr Profit überschritten werden, so rächt sich das in jedem Fall. Denn die Transparenz ist heute einfach riesengroß. Die Deutsche Bank kann viele Lieder davon singen.

4. Klar und ehrlich sprechen, integer handeln

Mitarbeiter wie auch Aktionäre und Öffentlichkeit erwarten vom CEO eines großen Unternehmens Orientierung und Klarheit. 

Daher muss die Belegschaft das Unternehmensziel kennen, ebenso den Weg, auf dem dieses realisiert werden soll. Das sind die Zutaten für Vertrauen und Gefolgschaft. Und das führt weg vom Fokus auf die wenigen Personen im Vorstand hin zu dem großen Ziel, um das es geht. 

Die Mannschaft will auch wissen, dass der Vorstand zu einem Wort steht, dass Sprechen und Tun zusammenpassen. Daher ist es hilfreich, auch unangenehmen Botschaften klar zu äußern. Das ist besser, als um den heißen Brei herumzureden. Früher oder später kommt doch heraus, worum es geht. Sobald Offenheit herrscht, gehen Menschen auch durch Schwierigkeiten mit, gerade wenn sie die Chance für eine bessere Zukunft sehen. Der Vorstand ist dafür verantwortlich, diesen Weg zu gestalten und zu kommunizieren. 

Der Unternehmer Claus Hipp ist ein gutes Beispiel für diese Qualität: „Dafür stehe ich mit meinem Namen.“

 

5. Zum „5 Level Leader“ werden

Eines der herausragenden Führungskonzepte ist das „5 Level Leadership Konzept“ von Jim Collins. Es beruht auf Untersuchungen von Unternehmen, die über mehr als 60 Jahre lang erfolgreich waren. Jedes dieser Unternehmen hatte einen „5 Level Leader“. 

Wie sieht ein solcher CEO aus? Ein „5 Level Leader“ schafft für das Unternehmen dauerhafte Größe mit einer paradoxen Mischung aus persönlicher Demut und professionellem Willen. Das hat nichts mit naturgegebenem Charisma oder großer Bekanntheit zu tun. Vielmehr geht es darum, sich auf den langfristigen Erfolg des Unternehmens auszurichten, die richtigen Leute um sich herum zu versammeln und die falschen gehen zu lassen. Dann, mit den richtigen Leuten, entwickelt der „5 Level Leader“ eine langfristige Strategie. Aus dieser wird klar, welche Investitionen erfolgen, auch in neue Technologien. 

Bei Erfolgen stehen „5 Level Leader“ hinten und bei Problemen vorne. Sie sprechen die brutale Wahrheit aus und haben doch immer die Zuversicht, dass es einen positiven Ausgang gibt. Sie schaffen Momentum im Unternehmen und halten dieses mit Disziplin aufrecht, denn Veränderung braucht Zeit. Radikale Veränderungen, Restrukturierungen und reaktives Handeln sind einem „5 Level Leader“ fremd.  

Radikale Veränderungen, Restrukturierungen und reaktives Handeln sind einem „5 Level Leader“ fremd. 

Die Kritik, die Herr Lutz mit seinen Vorstandskollegen an den Führungskräften und Mitarbeitern der Deutschen Bahn äußerte, steht in grobem Kontrast zum Verhalten eines „5 Level Leaders“.

 

Der CEO als Vorbild

Wir leben mitten in einer Zeit des Wandels, im Großen wie im Kleinen. Die Wirtschaftswelt ändert sich, ebenso die Machtdynamiken, die Technologien, die Art unseres Lebens. Jeder einzelne Mensch ist zu Veränderungen aufgerufen.

CEOs in großen Unternehmen sind besonders gefragt, denn ihr Verhalten wird intensiv beobachtet und vielfach kopiert – inzwischen eben auch kritisiert. Daher kann jeder Vorstand einen enorm großen Unterschied machen, im Positiven wie im Negativen. Denn CEOs sind Multiplikatoren und Leitfiguren. Sie tragen damit eine hohe Verantwortung, die weit über die Unternehmensgrenzen hinausreicht. Die aktuellen Veränderungen der Deutschland AG sind eine Chance, denn es entstehen neue Erfolgsaussichten für den langfristigen Bestand stolzer Unternehmen und für die Gestaltung einer attraktiven Zukunft.

 

Dr. Anja Henke, Unternehmenswachstum

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